FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

warten ist. Dabei werden weitere Krisen- fälle wie eine stark steigende Lebenserwar- tung oder Stornoquoten simuliert. Aus der Summe aller Szenarien ergibt sich die Höhe des Risikokapitals (SCR), das ein Ver- sicherer benötigt, um allen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden nachkommen zu können. „Wird das SCR-Kapital dann in Relation zu den errechneten Eigenmitteln gesetzt, ergibt sich die Solvenzquote“, so Heermann – mathematisch dargestellt mit den Eigenmitteln im Zähler und den SCR- Anforderungen im Nenner. Zinswende Das Gros der Kapitalanlagen der Versicherer besteht aus Anleihen. Deren aktueller Marktwert ist im Zuge der Zinswende gesunken. Assekurata geht Heermann zufolge branchenweit von einer Minderung von neun Prozent aus. „Auf der anderen Seite haben sich auch die rechnerischen Verpflichtungen ver- ringert, aber wesentlich stärker“, so Schneidemann. „Das liegt daran, dass die Laufzeiten der von den Ver- sicherungsgesellschaften eingegan- genen Verpflichtungen länger sind als die Laufzeiten der Anleihen, in der Regel 20 Jahre und mehr.“ Bei dieser Gegenüberstellung ist nicht die schlichte Summe der künftigen Auszahlungen an die Kunden ent- scheidend, sondern deren auf den heutigen Zeitpunkt abdiskontierter Wert. Dank des höheren Zinses ist dieser Barwert stärker gefallen als der Marktwert der Anleihen, was die Solvenzquote erhöhte. Wie stark sich der Zinseffekt auf die Solvenzquote auswirkt, hängt vom Geschäftsmodell des Versiche- rers ab: Bei einer Gesellschaft mit vielen langlaufenden und hochver- zinsten Garantieverträgen etwa wird sich die SCR-Quote stärker ändern als bei einer Gesellschaft, die schon seit Jahren auf Produkte ohne große Kapi- talbindung setzt. Also alles gut? Nein. Heermann weist darauf hin, dass die Marktzinsen zuletzt wieder gesunken sind. Auch die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank könnten bald wieder fallen. „Damit werden die An- forderungen der Verpflichtungsseite in der Solvenzbilanz wieder höher“, so der Asse- kurata-Experte. Verbesserungen bei den Eigenmitteln sind dagegen nur langsam zu erwarten. Das hat mehrere Gründe: Die Gesellschaften können nicht einfach im großen Stil in neue Wertpapiere investieren, die im Moment höhere Zinsen abwerfen. „Die Versicherer müssten die alten Anlei- hen verkaufen, deren Kurse derzeit aber oft unter demNennwert liegen. Sie würden so die stillen Lasten in ihren Bilanzen auf- decken und Verluste realisieren“, so Schnei- demann. Aus den laufenden Einnahmen können sie die Investments in der Regel nur in geringemUmfang tätigen, sie benö- tigen die Liquidität für ihre Verpflichtun- gen gegenüber den Kunden. Bleiben even- tuell noch die Mittel, die wegen der verrin- gerten Zuführungen zur Zinszu- satzreserve frei werden. Große Ent- lastungen erwartet die Finanzauf- sicht Bafin aber erst ab 2026. Zu- dem sollen auch die Kunden an den positiven Effekten der Zins- wende beteiligt werden. Übergangsmaßnahmen Bei Versicherern, die Übergangs- maßnahmen nutzen (siehe Kasten nächste Seite), sollten Berater die Solvenzquoten ohnehin im Auge behalten. Die Übergangsmaßnah- men, die von der Aufsicht geneh- migt wurden und bis 2032 laufen, führen zu höheren SCR-Quoten. Zwar ist gesichert, dass die Solvenz- quote des Versicherers in acht Jah- ren nicht unter 100 Prozent liegen dürfte, wie groß der Puffer sein wird, bleibt aber abzuwarten. In einem anderen Punkt gibt Schneidemann Entwarnung. Vor dem Ende 2023 endgültig beschlos- senen „Review“von Solvency II, der Änderungen in der Modellierung des Zinsänderungsrisikos und der Zinsstrukturkurve vorsieht, hatte die Branche einigen Respekt. „Im aktuellen Zinsumfeld würden die Solvenzquoten nach Umsetzung der Änderung im Zuge des Review ähnlich ausfallen wie jetzt“, beruhigt Schneidemann nun. Gerüstet für die Krise? Solvenzquoten der 30 größten Lebensversicherer Reine Ausgewie- Solvenz- sene Solvenz- quote 1 (in %) quote 2 (in %) Allianz LV 217,31 415,94 R+V LV 265,46 834,68 Generali LV 253,08 312,66 Debeka LV 172,35 1.013,16 Zurich Deutscher Herold 289,31 562,52 Alte Leipziger LV 357,14 372,12 Bayern-Versicherung 395,21 681,98 Axa LV 206,75 298,60 Nürnberger LV 426,22 609,38 Cosmos LV 91,07 165,20 Württembergische LV 149,17 372,24 Ergo LV 226,35 654,34 HDI LV 185,17 662,35 Volkswohl Bund LV 225,06 525,81 SV Sparkassenvers. LV 270,53 841,92 Provinzial Nordwest LV 718,56 1.210,68 Swiss Life 408,44 760,61 WWK Leben 459,34 538,01 Ergo Vorsorge Leben 605,50 605,50 Targo LV 318,50 762,07 Signal Iduna LV 508,54 514,48 Continentale LV 448,70 453,51 Hannoversche LV 648,26 648,26 Gothaer LV 163,14 326,44 LVM Leben 745,93 1.046,81 Povinzial Rheinland LV 468,30 730,88 Neue Leben LV 164,13 751,65 Deutsche Ärzteversicherung 302,25 312,60 LV 1871 484,20 734,03 Sparkassenvers. Sachsen LV 270,53 841,92 Die größten deutschen Lebensversicherer nach verdienten Brut- tobeiträgen 2022 (Quelle: Bafin) und ihre Solvenzquoten (Quelle: Solvency Data/Assekurata). Unternehmen im Run-off sind nicht berücksichtigt. 1 SolvenzquoteohneNutzungvonÜbergangsmaßnahmen | 2 SolvenzquotebeiNutzungvon Übergangsmaßnahmen Quelle:Bafin |SolvencyData/Assekurata |Stand25.2.2024 FONDS & VERSICHERUNG Solvenzquote 252 fondsprofessionell.de 1/2024

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