FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

Obacht bei hohen Quoten Allerdings sollten Berater und Kunden nicht nur bei niedrigen Solvenzquoten hellhörig werden: Auch sehr hohe Quoten sind nicht gut. Sie deuten darauf hin, dass eine Gesellschaft entweder Überschüsse hortet und nicht an Kunden weitergibt oder dass sich ein sehr hoher Anteil an Staatsanleihen im Anlagebestand des Ver- sicherers befindet. Diese generieren kaum Renditen. „Während der Durchschnitt der Staatsanleihenquote etwas von 26,7 auf 22,6 Prozent abgenommen hat, nimmt das Maximum von 70,1 auf 77,3 Prozent zu“, stellt Analyst Zielke in seiner Studie fest und fragt rhetorisch, wie damit „eine infla- tionsausgleichende Rendite zugunsten der Versicherungsnehmer verdient werden soll“. Stille Lasten „Die Solvenzquote ist daher nur ein Indikator für die finanzielle Stabilität eines Versicherers“, ergänzt Schneidemann. „Wichtig ist es, immer auch die Bilanzen nach dem Handelsgesetzbuch im Blick zu haben.“ Hier stehen einige Gesellschaften im Moment vor größeren Problemen, vor allem mit Blick auf die erwähnten stillen Lasten. „Bis zu 30 Prozent der von Versi- cherern gehaltenen festverzinslichen Papie- re sind im Moment im Verlustbereich“, weiß Heermann. Das sei prinzipiell kein Problem, wenn der Versicherer die Wertpa- piere bis Laufzeitende hält und keine Ver- luste realisiert. Problematisch wird es, wenn die Gesellschaft die Anleihen aus Liquidi- tätsgründen verkaufen muss, etwa wegen vieler stornierter Verträge. „Das Risiko betrifft insbesondere Gesellschaften, die in den vergangenen Jahren viel Einmalbei- tragsgeschäft als kurzfristige Geldanlage abgeschlossen haben“, sagt Heermann. Kein Wunder, dass Hermann Wein- mann, Professor an der Hochschule Lud- wigshafen, die wirtschaftliche Lage zumin- dest der zwölf größten Lebensversicherer nur als durchwachsen einstuft – bezogen auf die Geschäftszahlen für 2022. Die Ab- schlüsse für das Jahr 2023 kann er erst in den kommenden Wochen analysieren – und da könnten Überraschungen lauern: „Einige Versicherer müssen herbe Verluste wegen der Pleite der Signa-Gruppe von René Benko fürchten! Das wird man sicher in den Bilanzen 2023 sehen“, warnt er. JENS BREDENBALS FP Herbert Schneidemann, Die Bayerische: „Wichtig ist es, immer auch die Bilanzen nach dem Handels- gesetzbuch in Blick zu haben.“ Lars Heermann, Assekurata: „Bis zu 30 Prozent der von Versicherern gehaltenen festverzinslichen Papiere sind im Moment im Verlustbereich.“ Diese Übergangsregelungen können Versicherer nutzen Transitional für Rückstellungen: Unter Solvency II müssen Versicherer ihre Kapitalanla- gen und Verbindlichkeiten zu Marktzinsen bewer- ten. Um die erforderlichen Rückstellungen für be- stehende langfristige Verbindlichkeiten berechnen zu können, müssen sie künftige Zinsen abschät- zen. Dafür sieht Solvency II eine Zinsstrukturkurve vor. Diese Kurve und die geänderte Methodik zur Bewertung der Rückstellungen müssen die Ver- sicherer nicht zwingend anwenden, sie dürfen Deckungsrückstellungen weiterhin auf Basis des nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) geltenden höheren Rechnungszinses diskontieren. Damit drücken sie auf dem Papier ihre Deckungsrück- stellungen und hübschen ihre tatsächliche Sol- venzquote auf. Zeit für Anpassungen: Die Übergangsmaß- nahmen dürfen bis zum Jahr 2032 genutzt wer- den. Fallen Deckungsrückstellungen durch die Diskontierung nach HGB niedriger aus, so haben die Versicherer bis dahin Zeit, schrittweise die nötigen Eigenmittel aufzubauen, um die Lücke zu schließen. Seit dem Start von Solvency II 2016 müssen sie in diesem Fall jedes Jahr ein Sech- zehntel der Mittel erbringen. Volatilitätsanpassung: Während der euro- päischen Schuldenkrise ist es in verschiedenen Ländern immer wieder zu starken Abwertungen von Anleihen und hohen Risikoaufschlägen ge- kommen. Kurzfristig gestörte Märkte würden Rückstellungen für langfristige Verpflichtungen aber stark schwanken lassen, wenn Versicherer das Solvency-II-Modell verwenden. Um diese kurzfristigen Schwankungen zu dämpfen, können die Versicherer eine von der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA angepasste Zinskurve anwenden, wenn sie dies bei der Finanzaufsicht Bafin beantragen. fondsprofessionell.de 1/2024 253 FOTO: © DIE BAYERISCHE | DEUTSCHER AKTUARVEREIN, GUIDO SCHIEFER | ASSEKURATA

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