FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

finanzielles Risiko sein kann, wenden sich viele lieber kostenlos an den Versicherungs- ombudsmann. Der musste sich 2022 mit 267 zulässigen BU-Eingaben beschäftigen, immerhin fast ein Viertel weniger als 2021. Insgesamt kam die BU-Sparte nur auf 2,3 Prozent aller zulässigen Beschwerden beim Ombudsmann. Gleichwohl geht es bei jedem einzelnen Fall für den Betroffenen um viel Geld und Lebensqualität. Der Beschwerdewert beträgt häufig zwischen 20.000 und 100.000 Euro, da sich die BU- Leistungen über die Leistungsdauer zu hohen Beträgen summieren. Im Jahr 2022 konnte der Ombudsmann allerdings nur in 24,2 Prozent der BU-Ein- gaben im Sinne des Kunden entscheiden (2021: 28,4 Prozent). Ein Beispiel aus der Praxis: Der BU-Versicherer hatte einer Kun- din seine Leistungspflicht bestätigt, dass wegen Realitätsverlusts, Hilflosigkeit im Zuge einer paranoiden Schizophrenie, postpsychotischer Depression und eines se- kundären Parkinsonismus bedingungsge- mäße Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Im Rahmen der Nachprüfung sollte die Frau dem Versicherer einen Arzt benennen, der am besten über ihren aktuellen Gesund- heitszustand berichten könne. Trotz mehr- facher Erinnerungsschreiben antwortete die Frau nicht. Daher stellte der Versicherer die Leistungen wegen Mitwirkungspflicht- verletzung ein.Die Kundin beschwerte sich beim Ombudsmann, der dem Versicherer nahelegte, die BU-Leistungen umgehend wieder zu zahlen. Eine Mitwirkungspflicht- verletzung liege nur vor, wenn eine Oblie- genheit vorsätzlich oder grob fahrlässig ver- letzt wird. Bei dem Krankheitsbild der Kundin mit paranoider Schizophrenie und Realitätsverlust liege dies eher fern. Darauf- hin zahlte der Versicherer weiter. Beweislast beim Kunden Was können Makler angesichts der in- haltlich teils schwierigen Risikobewertung tun? „Nach meiner festen Überzeugung ist die 50-Prozent-Regel der absolute Schwach- punkt der BU-Versicherung, weil niemand bei Vertragsschluss und übrigens auch beim Leistungsantrag sagen kann, was eigentlich 50 Prozent Berufsunfähigkeit bedeutet“, kritisiert Hans-Peter Schwintowski, Experte für Privatversicherungsrecht an der Hum- boldt-Universität zu Berlin. Er fordert von der Branche seit Längerem, klarzustellen, dass die 50-Prozent-Schwelle an objektivier- ten Kriterien festgemacht werden und die Sachverständigen neutral und unabhängig sein müssen. „Verlässliche Kriterien könnte man zusammen mit Medizinern ent- wickeln und beispielsweise festlegen, von welchem Grad der Beeinträchtigung an jemand eine BU-Rente bekommt“, so Schwintowski. Das wäre objektiv. „Bisher hat die Branche auf diese Idee überhaupt nicht reagiert“, beklagt der Jurist. Doch wie lässt sich dieser Grad von min- destens 50 Prozent exakt bestimmen? „Der Kunde hat hier die Beweislast“, sagt der Potsdamer Versicherungsmakler Frank Dietrich.Diese Hürde könne er aus eigener Kraft kaum überwinden, wenn der BU-Ver- sicherer das anzweifelt. „Die Beweislast überfordert nahezu jeden Kunden“, so Dietrich. Zunehmend seien Gerichte und Versicherer im BU-Fall auf die Experten- meinung von Sachverständigen angewie- sen. „Der gerichtliche Sachverständigen- beweis hat in einem Gerichtsprozess den größten Beweiswert“, weiß Dietrich. Viele Beschwerden werfen komplizierte medizinische Fragen auf, die sich nicht immer abschließend außergerichtlich klä- ren lassen. „Angesichts der Komplexität des Themas, der hohen Kapitalwerte und der juristischen Spitzfindigkeiten sollten Mak- ler im Interesse ihrer Kunden nur solche Versicherer in die engere Wahl ziehen, die eine ausgezeichnete Bedingungsqualität liefern“, rät der Fachmakler. Er selbst hat sich auf die BU-Versiche- rung spezialisiert und sich zudem in kom- plexe medizinische Sachverhalte eingearbei- tet, die ihm den Umgang mit den Leis- tungsprüfern der Versicherer erleichtern. Seit Jahren unterstützt er auch andere Ver- mittler, wenn deren Kunden den Leis- tungsantrag auf BU-Rente stellen. Fast 100 Fälle hat er begleitet, und nur wenige gin- gen vor Gericht. Er favorisiert Versicherer wie LV 1871 und HDI, „die als erste soge- nannte Transparenzkriterien eingeführt haben, die genau definieren, was der Kun- de beim Leistungsantrag einzureichen hat“, begründet der Fachmakler sein Vorgehen. Ratings hält der Dietrich teilweise für überschätzt, „weil sie sich nicht auf den leis- tungsorientierten Kundennutzen konzen- trieren, sondern ein Konglomerat verschie- dener Einflüsse widerspiegeln“. Makler könnten die Intransparenz im BU-Markt knacken und Kunden helfen, indem sie der Kleingedruckte lesen und sich nicht auf gekaufte Vergleichsprogramme verlas- sen. „Ein Arzt, der ein Röntgengerät kauft, wird dadurch ja auch nicht zum Röntge- nologen“, meint Dietrich. DETLEF POHL FP » Makler helfen Kunden am besten, indem sie das Kleingedruckte lesen und sich nicht auf Vergleichsprogramme verlassen. « Frank Dietrich, Spezialmakler FONDS & VERSICHERUNG Berufsunfähigkeit 266 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © PRIVAT

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