FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

„Die PSD 2 hat schon ganz gut geholfen, aber Open Finance soll alle Daten zu Depots, zu Transaktionen oder Versiche- rungen des Kunden mitliefern. Das bringt einen enormen Mehrwert“, so Gschwind. „Natürlich muss der Kunde ein extrem hohes Vertrauen zu einem Finanzdienstleis- ter haben, um ihm Einblick in all seine finanziellen Daten zu gewähren“, sagt er. „Ich denke, hier haben Finanzplaner einen ganz entscheidenden Vorteil, denn sie ken- nen sich nicht nur mit Wertpapieren aus, sondern beraten ganzheitlich und schauen sich ohnehin die gesamte finanzielle Situa- tion an“, erklärt Gschwind. Saubere Daten Für Benjamin Raasch, Portfoliomanager beimMünchner Vermögensverwalter Pega- sos Capital, steht ein ganz anderer Aspekt im Vordergrund: die Standardisierung von Daten. „Man kann als Finanzinstitut die modernsten Tools einsetzen, ohne entspre- chend saubere Daten bieten sie keinen Nutzen“, sagt er. PSD 2 habe bereits dazu geführt, dass sich Vermögensbestände deut- lich besser berechnen lassen. „Diese Daten reichen aber bei Weitem noch nicht, um etwa konsolidierte langfristige Perfor- mancereportings von Investments über mehrere Depotbanken hinweg unkompli- ziert zu erzeugen“, so Raasch. „Derzeit ist man hier an extrem teure Dienstleister gebunden“, erklärt der Vermögensverwalter. Einheitliche Datenlieferungen der Depot- banken würden diesen Aufwand ersparen und Reportings deutlich günstiger gestal- ten. „Das wäre letztendlich auch zum Vorteil des Kunden“, sagt Raasch. Andreas Görler, Senior-Wealth-Manager und zertifizierter Fachmann für nachhalti- ge Investments beim Vermögensverwalter Wellinvest – Pruschke & Kalm in Berlin, kann demOpen-Finance-Projekt hingegen wenig abgewinnen. „Als Vermögensverwal- ter haben wir ohnehin recht breite Mög- lichkeiten, den Kunden zu unterstützen“, erklärt Görler. „Neben dem reinen Wert- papiergeschäft, das wir bei verschiedenen Depotbanken abwickeln, haben wir diverse Partner für Versicherungsfragen, Finanzie- rungen, rechtliche und steuerliche The- men“, so Görler. Aufgrund der engen Zu- sammenarbeit ließen sich gute Lösungen für die Klientel auch ohne direkten Zugriff auf sämtliche Finanzdaten relativ rasch finden, meint der Vermögensverwalter. Natürlich sei ein schnellerer Datenzu- griff von Vorteil. „Ich sehe aber nicht, dass Geschwindigkeit immer gleichzusetzen ist mit Qualität“, konstatiert Görler. „In unserer Branche haben wir tendenziell immer ein oder zwei längere Gespräche, um zu klä- ren, ob unsere Dienstleistung und unsere Philosophie überhaupt zu den Zielen und Wünschen des Kunden passen“, sagt er. Eine gewisse „Annäherungszeit“ sei auch völlig in Ordnung. Und so ist es dem Ver- mögensprofi egal, wann sie aufgeht – die Tür zu der schnellen, offenen Finanzwelt der Zukunft. ANDREA MARTENS FP » Bei der Ermittlung des liquiden Vermögens kann Open Finance sehr gut unterstützen. « Michael Gschwind, Gschwind Software Open Banking und Open Finance: Begriffe und Rechtsgrundlagen PSD 2: Unter dem Begriff Open Banking sind die Vorgaben der zweiten Zahlungsdienste- richtlinie (Payment Services Directive 2, PSD 2) der Europäischen Union zu verstehen. Diese war von den EU-Mitgliedsländern in zwei Stufen – zum 13. Januar 2018 und zum 14. September 2019 – in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland wurden die aufsichtsrechtlichen Be- stimmungen im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) und die zivilrechtlichen Vorgaben im Bür- gerlichen Gesetzbuch (BGB) berücksichtigt. Bedeutung: Die PSD 2 sieht vor, dass Ban- ken Drittanbietern den Zugang zu Onlinekonten ihrer Kunden und zu deren Zahlungsverkehrs- daten ermöglichen müssen – natürlich nur auf Wunsch des Kontoinhabers. Ermöglicht wird dies durch eine offene Anwendungsprogrammier- schnittstelle (Application Programming Interface, API). Wesentliches Ziel dieser Öffnung war es, Innovationen im Zahlungsverkehr nutzbar zu machen und zu regulieren. Open Finance: Das Konzept von Open Finance lässt sich als Erweiterung der Idee des Open Banking verstehen. Es beschreibt den Aus- tausch von Daten der Finanzindustrie über den Zahlungsverkehr hinaus. So sollen Drittanbieter künftig etwa auch Zugriff auf Depotinformationen der Kunden von Banken oder auf Versicherungs- daten erhalten können. Vorschläge: Die EU-Kommission stellte im Juni 2023 ihre Vorschläge zur Umsetzung des Open-Finance-Projekts vor. Mit der geplanten Ver- ordnung zu einem Rahmenwerk für den Zugang zu Finanzdaten (Framework for Financial Data Access Regulation, FIDA-E) soll der mit der PSD 2 eingeführte Zugang zu Kontodaten auf weitere Finanzdaten ausgedehnt werden. Einen endgül- tigen Zeitplan für die Umsetzung der Open- Finance-Initiative gibt es noch nicht. VERTRIEB & PRAXIS Open Finance 304 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH I GSCHWIND SOFTWARE

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