FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

der Sinn von Börse sei in Gefahr, erheblich übertrieben. Die Börse wird auch künftig ihre Rolle als Preisfindungsmechanismus ohne Weiteres erfüllen, gerade über aktiv gemanagte Fonds, aber auch über den Handel in Einzelwerten und anderen Fi- nanzvehikeln. Deshalb halte ich das gern kolportierte Risiko einer Art „Übernahme“ des Marktgeschehens durch passive Invest- ments für übertrieben.Der starke Zuwachs in entsprechende Produkte weist vielmehr auf etwas ganz anderes hin. Worauf spielen Sie an? Auf die Tatsache, dass mit einer Zunahme von ETF-Investments so etwas wie eine stär- kere Demokratisierung von Kapitalanlage stattfindet.Mehr und mehr Menschen wer- den dadurch vom Sparer zum Anleger, weil sie ihr Vermögen langfristig in die Kapitalmärkte investieren, statt ihr Geld auf Festgeldkonten oder dem Sparbuch anzu- legen. Das ist in meinen Augen eine in Deutschland extrem wichtige und durch- aus begrüßenswerte Entwicklung. Die Selbstentscheider konnten aber auch Sie bisher nicht so recht überzeugen. Ihren Anlageservice für Privatanleger namens Vanguard Invest haben Sie nach nicht ein- mal zwei Jahren wieder eingestellt. Wir haben uns entschieden, unseren Ansatz, wie wir mit Privatanlegern agieren, strategisch zu überprüfen. Einzuräumen ist, dass wir bei Vanguard Invest nicht die notwendige Größe erreicht haben, um den Service effizient weiter zu betreiben. Des- halb haben wir uns sehr schweren Herzens entschlossen, die Plattform zu schließen. Wir fokussieren uns darauf, zusammen mit unseren Vertriebspartnern und auch Anla- geplattformen Investoren in Deutschland den besten Zugang zu Vanguard-Produk- ten zu ermöglichen. Für ziemliche Verwirrung unter Beratern haben Sie gesorgt, als Sie sich in der vor gut einemJahr wieder aufgeflammten Dis- kussion um ein Provisionsverbot eindeutig für ein solches ausgesprochen haben. Wir haben uns seinerzeit für ein Provi- sionsverbot für Finanzmarktprodukte aus- gesprochen. Nach unserer Auffassung sind die Kosten des Investierens in Europa nach wie vor zu hoch, was sich negativ auf die Rendite der Anleger auswirkt. Zu hohe Gebühren erschweren Kleinanlegern eine erfolgreiche Beteiligung am Kapitalmarkt. Deshalb müsste die Europäische Kommis- sion mehr tun, um die Investmentkosten für Privatanleger nachhaltig zu senken. Es muss das Ziel sein, solche Interessenkon- flikte in der Fondsbranche aufzulösen. Das würde die Kosten für Anleger deutlich senken und zugleich mehr Transparenz schaffen, wie Großbritannien und die Nie- derlande als Vorreiter in dieser Beziehung zeigen. Manch einer hat Ihr Engagement allerdings als eine Art Absage an die Beratung auf- gefasst. Immerhin finanzieren die meisten Finanzvertriebe ihren Geschäftsbetrieb nach wie vor über diese Art der Vergütung. Das wäre allerdings ein fatal falscher Rück- schluss, und das aus gleich zwei Gründen. Zum einen erfolgen Beratung und Vertrieb in der Fondsbranche doch schon seit ge- raumer Zeit keineswegs mehr ausschließ- lich über rein provisionsbasierte Modelle. Und es war nicht zuletzt die zunehmende Beliebtheit von ETFs, die dafür gesorgt hat, dass Vertriebskanäle sich stärker öffnen, sei es für eine zugegeben noch nicht sehr weit verbreitete Honorarberatung, die Vergü- tung über eine Service Fee oder auch hy- bride Vergütungsmodelle. Auch Märkte, in denen Anlageberatung gang und gäbe ist, haben gezeigt, dass sich verschiedenste Ver- gütungsmodelle durchsetzen können und trotzdem für einen Berater interessant blei- ben. In den USA hat sich auch ohne Pro- visionsverbot die provisionsfreie Beratung über die Jahre hinweg etabliert. Ich glaube, man darf die Beraterschaft insofern nicht unterschätzen, als viele Marktteilnehmer » Das Risiko einer Art ›Übernahme‹ des Marktgeschehens durch passive Investments ist übertrieben. « Sebastian Külps, Vanguard FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH VERTRIEB & PRAXIS Sebastian Külps | Vanguard 338 fondsprofessionell.de 1/2024

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