FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024
Bankenexperte Christian Rieck, Professor für Finanzwesen an der Frankfurt Univer- sity of Applied Sciences, begrüßt das Vor- haben. „Das Commerzbank-Projekt klingt jetzt zwar nicht völlig revolutionär, aber es scheint schon eine neue Qualität der KI- Beratung zu sein“, sagt er. „Dass so etwas möglich ist, ist klar, seit jeder Zugang zu ChatGPT hat.“ Auch sein Institut habe damit bereits in einem kleinen Forschungs- projekt experimentiert. „Neu ist, dass es so umgesetzt wird, dass es auch regulatorisch zulässig ist“, betont Rieck. „In einem Satz: Wenn der Avatar so leistungsfähig ist wie angekündigt, dann ist das ein gewaltiger Schritt nach vorn.“ Produktivitätsschub KI-Sprachprogramme wie ChatGPT oder Google Bard könnten bei Banken für eine spürbare Effizienzsteigerung sorgen, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Ratingagentur Moody’s. So könne ChatGPT sowohl strukturierte Daten in Form von Tabellen, aber auch unstruktu- rierte Daten aus Texten, E-Mails oder gar gesprochener Sprache auswertbar machen. Umgekehrt könne die Technik auch Da- tenanalysen in Bildern, Texten oder Grafi- ken anschaulich darstellen. Bislang war dazu eine Vielzahl von Arbeitsschritten von Menschenhand notwendig. Mit dem Einsatz von KI lassen sich die Arbeitsabläufe also vereinfachen und die Produktivität steigern. So könne man Per- sonalkosten einsparen, betont Moody’s – nicht unwesentlich bei Kreditinstituten, bei denen die Gehälter oft rund die Hälfte aller Kosten ausmachen. Die Strategiebera- tung McKinsey beziffert den möglichen Produktivitätszuwachs für die Banken- branche durch den Einsatz von KI in einer Studie mit knapp fünf Prozent (siehe Gra- fik vorige Seite).Wichtig für die Banken sei es aber auch, die strikten Regeln beim Datenschutz und der Datensicherheit ein- zuhalten (lesen Sie hierzu auch das Inter- view mit Oxford-Professorin Sandra Wach- ter ab Seite 312). Potenzial Auch Unternehmensberater Walleyo sieht die KI im Kommen. „KI hat das Potenzial, den kompletten ‚First Level Sup- port‘mit fachlich anspruchsvollen und wis- sensintensiven Rechercheaufgaben zu über- nehmen.Grundsätzlich wird die KI in allen Servicebereichen diese Auskunftstätigkeiten ersetzen können“, erwartet er.Das werde die Organisation nicht nur in Banken und Ver- sicherungen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels erheblich entlasten. „So lassen sich Abläufe effizienter gestalten, durch einen lückenlosen und schnellen Service aber auch die Zufriedenheit der Kunden stärken.“ Ob sich all diese Versprechungen auch erfüllen,muss sich freilich erst noch zeigen. Wunder darf man derzeit jedenfalls noch nicht erwarten. So machten manche Kun- den der Sparkasse Nürnberg keine beson- ders guten Erfahrungen mit dem neuen Sprachcomputer der Bank. Viele Anfragen konnten nicht beantwortet werden – der Computer verstand kein Fränkisch. MARCUS HIPPLER FP » Wenn der Avatar so leistungsfähig ist wie angekündigt, dann ist das ein gewaltiger Schritt nach vorn. « Christian Rieck, Frankfurt University of Applied Sciences LBBW wirbt mit königlichem Avatar um Mitarbeiter Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat mithilfe von künstlicher Intelligenz ihre Gründerin Katharina, Königin von Württemberg, als Avatar wieder ins Leben gerufen. Katharina gründete 1818 die „Württembergische Sparcasse“, eines der Vorläuferinstitute der heutigen LBBW, um die damalige Hungersnot zu bekämpfen. Jetzt be- kommt die Regentin ihren eigenen Linkedin-Kanal und soll dabei helfen, die LBBW bekannter zu machen. Das ganze Projekt soll der Mitarbeiter- gewinnung dienen. Katharina tritt in Videos der Bank auf, nimmt an Dis- kussionen teil und soll zukünftigen Mitarbeitern den Arbeitsalltag in der Bank näherbringen, so die LBBW. Das Design des Avatars der neuen „Cor- porate-Influencerin“ ist dem Antlitz Katharinas auf historischen Gemälden nachempfunden. BANK & FONDS Künstliche Intelligenz 410 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © FRANKFURT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES, LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG
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