FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

gen kritisch. Denn er zweifelt daran, dass die kürzere Frist in der Praxis einzuhalten ist. „Das Landgericht muss jede Klage ein- zeln prüfen“, gibt er zu bedenken. Bei so komplexen Sachverhalten wie im Fall Wirecard warteten die Gerichte zudem häufig die Klageerwiderung der Gegen- partei ab. „Das dauert, daher ist es realitäts- fremd anzunehmen, zwei Monate würden für die Prüfungen ausreichen“, erläutert der Tilp-Jurist. Musterkläger gesucht Sind mindestens zehn gleichgerichtete Klagen im Register veröffentlicht, über- sendet das zuständige Landgericht dem Oberlandesgericht (OLG) einen Vorlagen- beschluss. Das Dokument enthält eine Lis- te mit allen Tatsachen- und Rechtsfragen, über die das OLG entscheiden soll. Der Vorlagebeschluss wird öffentlich bekannt gemacht, das Oberlandesgericht eröffnet das KapMuG-Verfahren und sucht nun nach einemMusterkläger. Dieser steigt mit seinem Anwalt stellvertretend für die gesamte Klägergemeinschaft in den Ring. Bisher vergeht bis zur Bestimmung des Musterklägers oft viel Zeit. Denn das OLG kann diesen auch unter Klägern suchen, die erst nach Bekanntmachung des Vorla- gebeschlusses auf den Plan treten. Der Klä- gerkreis kann sehr groß sein. Denn Klagen in derselben Sache, die innerhalb von sechs Monaten ab Eröffnung eingereicht werden, nehmen wie alle zuvor eingegangenen automatisch am Verfahren teil. Der Referentenentwurf will mit diesem Automatismus nun Schluss machen. „In Zukunft sollen Klagen in ein KapMuG- Verfahren nur dann eingebunden sein, wenn dies extra beantragt wird“, erklärt Anwalt Conreder. Die Frist für die Antrag- stellung soll bereits zwei Monate nach der Eröffnung enden. „Auch das soll für mehr Tempo sorgen“, so Conreder. Darüber hinaus soll der Kreis für die Auswahl des Musterklägers nur noch aus Anlegern bestehen, deren Anwälte die Kla- geschrift bereits vor dem Erlass des Vorlage- beschlusses eingereicht haben. Das erleich- tert die Suche und verkürzt die Zeit, bis verhandelt werden kann. „Eine solche Regelung würde aber dazu führen, dass etwa große institutionelle Investoren, die als Musterkläger sehr geeignet wären, ausge- schlossen werden, nur weil sie etwas später dran sind“, sagt Kühler.Mehr Schärfe erhält das KapMuG damit nicht. Heikle Anträge Als besonders heikel erachtet Kühler aber die Tatsache, dass Kläger ihre Teilnah- me an einem KapMuG-Verfahren künftig beantragen sollen. „Wer die Frist verpasst, hat zwar immer noch die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche im Klagewege gel- tend zu machen“, sagt der Experte. In die- sem Fall kann die Gegenseite aber die Aus- setzung verlangen. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, wird – genau wie bei allen Klagen, die Teil des Musterverfahrens sind – nicht mehr verhandelt, bis das Kap- MuG-Urteil gesprochen ist. An das Urteil nicht gebunden Sollte es für die Anleger positiv ausfallen, profitiert der Einzelkläger nicht davon, da die Entscheidung keine Bindungswirkung für sein Verfahren entfaltet. „Dieses wird dann vor dem Landgericht weitergeführt, das kostet Zeit und Geld“, so Kühler. „Ge- radezu tragisch wäre es,wenn in der Einzel- klage trotz eines positiven KapMuG-Urteils eine für den Kläger nachteilige Entschei- dung erginge“, sagt er. Zudem entfernt der geplante Antrag für ein Musterverfahren das KapMuG noch weiter von dem wirklich scharfen Schwert der amerikanischen „Class Action“. Bei der US-Sammelklage wird zunächst eine be- stimmte Gruppe von mutmaßlich Geschä- digten, die „Class“, definiert. Alle Personen und Unternehmen, die belegen können, dass sie zu dieser Gruppe gehören, nehmen Martin Kühler, Tilp Rechtsanwaltsgesellschaft: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass an dem aktuellen Entwurf noch Änderungen vorgenommen werden.“ Maximilian Weiss, Weisswert: „Ich bin überzeugt davon, dass es nicht zu einem Opt-out-Modell nach amerikanischem Vorbild kommen wird.“ » Eine Beschleunigung soll durch die Verkür- zung bestimmter Fristen erreicht werden. « Christian Conreder, Rödl & Partner fondsprofessionell.de 1/2024 427 FOTO: © WEISSWERT, THOMAS NIEDERMUELLER | TILP RECHTSANWALTSGESELLSCHAFT

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