FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

ches wirtschaftliches Risiko infolge eines provisionsbasierten und abschlussorientier- ten Vergütungsmodells besteht, wäre dies sicherlich ein erhebliches Argument zu- gunsten einer selbstständigen Tätigkeit.“ Unterschiedliche Rechtsbereiche Ganz einfach fällt eine Antwort also nicht. Anlass genug, sich dem Thema etwas grundsätzlicher zu widmen – auch mit Blick auf die Frage, warum es für die Ver- treter und ihre Auftraggeber so wichtig ist. „Beim Thema Scheinselbstständigkeit ist es wichtig zu wissen, dass sehr unterschiedli- che Rechtsbereiche betroffen sein können“, sagt Maximilian Lachmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Heidelberger Kanzlei Reiserer Baade Lachmann. „Scheinselbstständigkeit kann arbeitsrecht- liche, sozialversicherungsrechtliche, steuer- rechtliche und sogar strafrechtliche Konse- quenzen haben.“Außerdem könne die Be- urteilung ein und desselben Sachverhalts je nach Gericht sehr unterschiedlich ausfallen. „Es kommt in der Praxis durchaus vor, dass das Arbeitsgericht einen Auftragnehmer als selbstständig einstuft, das Sozialgericht die gleiche Konstellation aber als abhängige Beschäftigung wertet“, berichtet der Jurist aus seiner langjährigen Praxis. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen halten sich für ein betroffenes Unterneh- men meist im Rahmen. Gilt der Beschäf- tigte als Arbeitnehmer, genießt er zum Beispiel Urlaubsanspruch und Kündi- gungsschutz.Der Vertrag lässt sich also nicht mehr so ohne Weiteres kündi- gen, die erhoffte Flexibilität ist dahin. Deutlich schmerzhafter sind in aller Regel jedoch die sozialversicherungs- rechtlichen Aspekte. Vor dem Sozialgericht landet ein Fall oft dann, wenn der Mitarbeiter ein sogenanntes Statusfeststellungs- verfahren bei der Deutschen Renten- versicherung (DRV) eingeleitet hat. Die DRV muss dann prüfen, ob der Beschäftigte tatsächlich selbstständig tätig war. Überwiegt ihrer Einschätzung nach die Arbeitnehmereigenschaft, erlässt die Behörde einen Bescheid, gegen den das Unternehmen Widerspruch einlegen kann. Nicht wenige Fälle enden schließlich vor dem Gericht. „Anders als vor dem Arbeits- gericht gibt es vor dem Sozialgericht bei Statusverfahren grundsätzlich keine Ver- gleichsmöglichkeit, wodurch ein Fall ge- räuschlos beigelegt werden könnte“, betont Lachmann. Sprich: Die DRV gibt nicht klein bei, sondern besteht auf ein rechts- kräftiges Urteil – auch wenn dafür notfalls durch alle Instanzen bis hoch zum Bundes- sozialgericht in Kassel geklagt wird. Empfindliche Konsequenzen Setzt sich die Rentenversicherung durch, hat das für Unternehmen häufig empfind- liche finanzielle Konsequenzen.Zum einen muss es die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Die Pflichtbeiträge zur Ren- ten-, Arbeitslosen-, Pflege- und Krankenver- sicherung summieren sich in der Regel auf 20 Prozent des Lohns – und das ist nur der Arbeitnehmeranteil. Der Arbeitgeberanteil in gleicher Höhe kommt noch obendrauf. „Schuldner der Beiträge ist dann immer der Arbeitgeber“, betont Lachmann. Die Zahlungen werden zwar durch die Bei- tragsbemessungsgrenze gedeckelt, sind aber dennoch schmerzhaft. Lachmann hat das einmal für einen Betrieb überschlagen, der anderthalb Jahre lang zehn vermeintlich Selbstständige für ein monatliches Honorar von 10.000 Euro beschäftigt. „Die Auftrags- summe beläuft sich insgesamt auf 1,8 Mil- lionen Euro“, rechnet der Jurist vor. Kommt die DRV zu dem Ergebnis, dass die zehn Auftragnehmer in Wahrheit abhängig beschäftigt waren, belaufen sich die nach- geforderten Gesamtsozialversicherungs- beiträge auf gut 420.000 Euro. „Das entspricht fast einem Viertel der Auf- tragssumme“, betont Lachmann. Außerdem ist damit erst der Status quo wiederhergestellt, aber noch keine Strafe beglichen. „Der Gesetzgeber sieht einen Säumniszuschlag von einem Prozent für jeden Monat vor, in dem keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden“, sagt Lachmann. Wer beispielsweise über 20 Jahre – also 240 Monate – hinweg Scheinselbst- ständige beschäftigte,muss für den am längsten zurückliegenden Monat zu- sätzlich zu den eigentlichen Beiträgen » Die Eingliederung in den Betrieb spielt eine wichtige Rolle. « Maximilian Lachmann, Kanzlei Reiserer Baade Lachmann § 84 Handelsgesetzbuch (1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermit- teln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. (2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter. Quelle:Handelsgesetzbuch fondsprofessionell.de 1/2024 431 FOTO: © JULIAN BEEKMANN | REISERER BAADE LACHMANN

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