FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

D ass der japanische Aktienmarkt gemessen am Nikkei 225 Index vor Kurzem seinen historischen Höchstwert aus dem Jahr 1989 über- traf, überraschte auch professionelle Marktteilneh- mer. Viele Akteure, deren Karrieren zur Zeit der damaligen Rekordstände begonnen hatte, gingen wohl davon aus, dass der Nikkei sein All Time High innerhalb ihrer Lebenszeit nicht wieder- sehen würde. Somit war dieses Erreichen alter Höchststände gleichermaßen beruhigend und erschreckend. Beruhigend, weil es zeigt, dass mit Aktieninvestments früher oder später jede Verlustphase überwun- den werden kann, erschreckend, weil es eben auch 35 Jahre dauern kann – und bislang wurde im Nikkei ja nur der „Einstiegskurs“ erreicht, von realer Rendite kann keine Rede sein. Nun muss man schon extremes Pech haben, tatsächlich nur ein- mal im Leben in Aktien zu investieren und dabei ausgerechnet nahe einem All Time High zu kaufen. Dass man bei regelmäßigen Investments auch nahe historischer Höchststände kauft, steht hin- gegen fest. Sich die Frage zu stellen, ob man in solchen Phasen eher zurückhaltend sein sollte, erscheint daher vernünftig, selbst dann, wenn man nichts von Market-Timing hält. Zur Beurteilung lohnt es sich, das Phänomen All Time High statistisch zu beleuchten. Im US-Leitindex wurden seit 1950 mehr als 1.150 solche Höchststände verzeichnet – durchschnittlich 16 Rekorde pro Jahr. Das Jahrzehnt mit den meisten neuen Hochs waren die 1990er-Jahre, die Anle- gern mehr als 300 Rekorde bescherten, die „Rechnung“ dafür er- hielt man in der Dekade danach. Zwischen 2000 und 2010 wurden nur 13 neue Höchstwerte erreicht. Das zweitbeste Jahrzehnt waren die 2010er-Jahre mit 242 All Time Highs. Hier drängt sich die Fra- ge auf, ob wir uns wieder in einem „mageren“ Jahrzehnt befinden. Die Antwort lautet: Eher nicht. Seit Beginn des Jahrzehnts wurden bereits mehr als 110 Rekord- stände erreicht. Bemerkenswert gering ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem neuen Höchst- wert eine schärfere Korrektur – ein Minus von mehr als zehn Prozent – zu erleben. Nur in 6,5 Prozent aller Fälle büßte der S&P 500 binnen zwölf Monaten mehr als zehn Prozent ein, auf Dreijahressicht liegt dieser Wert bei 1,5 Prozent, und fünf Jahre nach Erreichen eines neuen Re- kords lag der Index nach 1950 noch nie mehr als zehn Prozent im Minus. Kurioserweise dürfen gerade kurzfristig denkende Anleger bei Erreichen neuer Höchststände mit besseren Ergebnissen rechnen als Käufer, die zu einem zufällig gewählten Zeitpunkt einsteigen. Ihre durchschnittlich erzielte Fünfjahresren- dite lag nach Berechnungen des US-Vermögensverwalters Cahaba Wealth Management nach einem Kauf auf dem Allzeithoch bei 78,9 Prozent; wer zufällig einen anderen Starttag wählte, beendete die fünf Jahre hingegen mit plus 71,4 Prozent. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Berechnungen auf den US-Markt bezie- hen. Das BIP der USA lag 2009 bei etwa 14,4 Billionen US-Dollar, jenes der EU (ohne GB) bei 12,3 Billionen; die Vergleichswerte für 2002 waren 25 (USA) beziehungsweise 17 Billionen (EU). Solange sich hier keine Trendwende abzeichnet, erscheinen die USA attrak- tiver und sollten daher übergewichtet werden. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Aufhören, wenn es am schönsten ist? Das Erreichen neuer All Time Highs von Börsenindizes ist kein Grund, Aktien zu meiden, jedenfalls nicht in den USA. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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