FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2024

Mentoren. Sein Spezialgebiet war eigent- lich schon immer die Liquiditätsforschung, aber er war grundsätzlich davon überzeugt, dass man als Investor wirklich sehr viel ler- nen kann aus der Kapitalmarktforschung und dass es im Grunde fast schon enttäu- schend ist, dass nur sehr wenige Praktiker sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse tatsächlich zunutze machen, um sie dann im eigenen Prozess auch umzusetzen. Er war es, wenn ich mich recht erinnere, der uns bereits Anfang der 2000er-Jahre auf die Arbeiten von Andrew Ang, heute Head of Factor Investing Strategies bei Blackrock, aufmerksam gemacht. Ang hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern schon wäh- rend seiner Zeit als Professor an der Colum- bia Business School diverse Arbeiten über die Zusammenhänge zwischen Volatilität und den idiosynkratischen Renditen von Aktien verfasst. Das müssten Sie kurz erläutern. Grob gesagt geht es dabei grundsätzlich um die Zusammenhänge im Querschnitt zwischen den Risiken von Aktien und der erwartbaren Rendite. Die ganz klassische Kapitalmarkttheorie, wie sie jeder Öko- nomieprofessor seinen Studenten beige- bracht hat, ging ja lange Zeit und über weite Strecken davon aus, dass eine Art Austauschbeziehung zwischen eingegan- genem Risiko und erzieltem Ertrag bei Aktieninvestments besteht nach demMot- to: Je höher die Risiken, die ich eingehe, desto höher fällt der Ertrag aus, den ich erzielen kann. Und Andrew Ang hat eben gezeigt, dass es diese Austauschbeziehung in der früher angenommenen Stringenz so nicht gibt. Auf Yakuv Amihud haben die Arbeiten von Ang jedenfalls wie eine regel- rechte Offenbarung gewirkt. Inwiefern? Er hat einmal zu mir gesagt, er habe nach dem Lesen von Angs Arbeiten das Gefühl gehabt, er habe seine Studenten bisher ge- lehrt, dass die Erde eine Scheibe sei.Dass es keine Austauschbeziehung zwischen Risiko und Rendite gibt, bedeutet, dass neben den klassischen Kennzahlen wie Kurs-Gewinn- Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis oder Kurs-Cashflow-Relation insbesondere Risi- kofaktoren eine Rolle spielen, um von einem rein faktorbasierten Investieren zu einer wirklich wertschaffenden Anlagestra- tegie zu gelangen. Sonst wäre es ja auch na- hezu simpel. Ein stur quantitatives, systema- tisch regelgebundenes Value-Modell kann ich mir ohne Weiteres bei Investmentban- ken oder Indexprovidern einkaufen. Dann fehlt mir aber noch die qualitative Kompo- nente, die die puren Value-Kennzahlen mit den entscheidenden Risikofaktoren sinn- voll kombiniert. Zumal ja auch noch der psychologische Aspekt hinzukommt, wie uns vor allem der kürzlich verstorbene Daniel Kahneman und sein Wissenschafts- kollege Amos Tversky gelehrt haben. Was meinen Sie genau? Dass Menschen, ob Profi oder Privatan- leger, durchaus in der Lage sind, zu verste- hen und als sinnvoll nachzuvollziehen, was wertorientiertes Investieren eigentlich tat- sächlich ausmacht. Dass sie ihre Invest- mententscheidungen aber am Ende doch wieder auf einer rein spekulativen Basis oder aus einem Bauchgefühl heraus treffen. Wahrscheinlich darf man sich darüber nicht einmal wundern, weil es natürlich sehr viel unterhaltsamer ist, sich imZusam- menhang mit dem Thema Börse über die Aussichten von Tesla, Bitcoin oder austra- lischen Minenaktien zu unterhalten als über vermeintliche Langweiler wie Wal- mart oder McDonald’s. Was am Ende wozu führt? Dass Menschen zwar vordergründig be- haupten, sie seien überzeugte Value-Inves- toren, dass sich aber beim Blick in deren Portfolios oft zeigt, dass sie am Ende der Versuchung erliegen, doch in Wachstums- werte zu investieren oder in offensichtliche Fallen, sogenannte Value Traps, zu tappen. » Nur sehr wenige Praktiker machen sich wissenschaftliche Erkenntnisse tatsächlich zunutze. « Christian Funke, Source For Alpha FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH MARKT & STRATEGIE Christian Funke | Source For Alpha 176 fondsprofessionell.de 2/2024

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