FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2024
Fairer Ausgleich Der Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter wird zumeist auf Basis von Branchengrundsätzen berechnet. Alternative Berechnun- gen bringen oft mehr Geld, sind aber schwer durchzusetzen. F inanzanlagen- und Versicherungsver- mittler sind in der Regel selbstständige Unternehmer. Ein großer Teil, darunter ge- bundene Versicherungsvertreter, hat den rechtlichen Status eines Handelsvertreters gemäß Paragraf 84 Handelsgesetzbuch (HGB), der nur für ein Unternehmen tätig ist. In dessen Auftrag akquirieren und be- treuen sie Kunden. Geht ein Vertreter in den Ruhestand oder wird gekündigt, ver- bleiben die Kunden – und damit poten- zielle künftige Einnahmen – beim Unter- nehmen. Daher haben Handelsvertreter am Ende der Tätigkeit einen sogenannten Ausgleichsanspruch gegenüber ihrem Auf- traggeber, der in Paragraf 89b HGB fest- gelegt ist. Dieser Ausgleichsanspruch ist für die Vermittler von großer Bedeutung. Allerdings fallen die Zahlungen zum Missfallen der Vertreter oft niedriger aus als erwartet – wenn sie überhaupt Geld erhal- ten. Darüber wird recht häufig vor Gericht gestritten. FONDS professionell hat sich daher bei Anwälten erkundigt, was die Grundlagen für den Ausgleich und dessen Berechnung sind. Wer hat Anspruch? Handelsvertreter haben Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich, wenn das Unternehmen ihnen kündigt oder der Vertrag einvernehmlich aufgelöst wird. Kündigt der Handelsvertreter selbst, entfällt der Anspruch. „Gesetzgeber und Recht- sprechung gehen in diesem Fall davon aus, dass der Vertreter weiter tätig bleibt und eventuell Kunden mitnimmt“, erklärt Tim Banerjee von der Kanzlei Banerjee & Kol- legen in Mönchengladbach. Der Handels- vertreter erhält auch keinen Ausgleich, wenn er mit demUnternehmen vereinbart hat, dass ein anderer Vertreter seinen Kun- denstamm übernimmt. Schließlich kann er mit diesem einen Ausgleich vereinbaren. Allerdings gibt es von beiden Regeln Ausnahmen. So hat der Vertreter einen Ausgleichsanspruch,wenn er sich zur Ruhe setzt oder erkrankt ist. In diesen Fällen geht die eigene Kündigung laut Paragraf 89b HGB Absatz 3 in Ordnung. Ferner erhält er den Ausgleich trotz eigener Kündigung, wenn das Unternehmen ihm hierzu einen „begründeten Anlass“ gegeben hat – etwa weil Provisionen falsch abgerechnet oder nur schleppend ausgezahlt wurden. Auf der anderen Seite muss das Unternehmen nicht zahlen, wenn sich der Vertreter „schuldhaft“ verhalten hat. „Ein schuldhaf- tes Verhalten des Vertreters liegt beispiels- weise vor, wenn er gleichzeitig für einen Mitbewerber des Unternehmens tätig war. Das ist der Klassiker. Das zieht eine fristlose Kündigung nach sich, mit der der Aus- gleichsanspruch entfällt“, so Banerjee. Weil sich in der Regel niemand Fehlver- halten nachsagen lassen möchte, landen solche Fälle recht häufig vor Gericht. Auch über die Frage, was gesundheitliche Proble- » Am Ende könnten noch schlechtere Konditionen ausgehandelt werden als die ursprünglichen. « Michael H. Heinz, BVK So schlimm wie in diesem fiktiven Fall trifft es Handelsvertreter nicht. Dennoch kommt es bei einer Tren- nung oft zu Meinungsverschieden- heiten, die vor Gericht enden – auch wegen des Ausgleichsanspruchs. STEUER & RECHT Ausgleichsanspruch 412 fondsprofessionell.de 2/2024 FOTO: © 4MAX | STOCK.ADOBE.COM
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