FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2024

me sind, lässt sich trefflich streiten. Außer- dem versuchen Finanzvertriebe immer wieder, den Ausgleichsanspruch mit zahl- reichen Klauseln de facto vertraglich auszu- schließen, obgleich das Gesetz dies explizit verbietet. „Ein großer Teil der Streitigkeiten um den Ausgleich dreht sich daher um die Frage, ob der Vertreter einen Anspruch auf die Zahlung eines Ausgleichs hat“, berichtet Banerjee aus Erfahrung. Ausgleich wofür? Der Ausgleich, der dem Vertreter ge- währt werden muss, entspricht den Provi- sionen, die ihm nach demWeggang fehlen. Das ergibt sich aus Paragraf 89b Absatz 1 HGB. Dort heißt es, dass ein Ausgleich ge- zahlt werden muss, „wenn und soweit (1.) der Unternehmer aus der Geschäftsverbin- dung mit neuen Kunden, die der Handels- vertreter geworben hat, auch nach Beendi- gung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und (2.) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der demHandels- vertreter aus Geschäften mit diesen Kun- den entgehenden Provisionen, der Billig- keit entspricht“. Eine Ausnahme gilt für Versicherungsvertreter. Absatz 5 des Para- grafen stellt klar, dass anstelle der Geschäfts- beziehungen der vom Versicherungsvertre- ter aufgebaute Policenbestand tritt. „Die ‚erheblichen Vorteile des Unterneh- mers‘ bestehen darin, dass er sich durch den Weggang des Vertreters die Auszah- lung von Provisionen spart. Das gilt insbe- sondere bei Versicherungsvertretern, weil die noch nicht ausgezahlten Provisionen aus den von ihnen vermittelten Verträgen vollständig beimUnternehmer verbleiben“, erklärt Rechtsanwalt Kai Behrens aus Münster die Gesetzespassage. „Zudem kann eine Gesellschaft mit dem bestehen- den Kundenstamm neues Geschäft ma- chen, für das sie dem Vertreter aber keine Provisionen mehr schuldet“, führt Banerjee aus. Wichtig: Bei Versicherungsvermittlern fallen unter Folgegeschäfte nur Erweiterun- gen oder Fortsetzungen bestehender Versi- cherungsverträge. Berechnung Die Provisionen sind also die Grundlage der Ausgleichsberechnung – so weit klar. Kompliziert wird es aber, wenn man die genaue Summe berechnen möchte, die dem Vertreter zusteht.Denn: Welche Provi- sionen kann man ansetzen? Was zählt als Folgegeschäft? Das Gesetz macht zur Be- rechnung keine Vorgaben – außer dass Ver- treter Anspruch auf maximal eine Jahres- provision haben, basierend auf demDurch- schnitt der in den vergangenen fünf Jahren erhaltenen Vergütungen. Versicherungsver- treter erhalten maximal drei Jahresprovisio- nen. „Erschwerend kommt hinzu, dass die Formulierungen in Paragraf 89b HGB ins- gesamt sehr unpräzise sind und der Aus- legung bedürfen“, sagt Behrens, der daher eine Neufassung des Paragrafen fordert. Wegen dieser Schwierigkeiten, die bereits im Zuge einer Novelle des Handelsgesetz- buchs im Jahr 1953 auftraten und zu vielen Gerichtsprozessen führten, vereinbarten der Gesamtverband der Deutschen Versiche- rungswirtschaft (GDV) und der Bundesver- band Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) schon 1958 die „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsan- spruchs“. Diese Grundsätze, die laut Baner- jee Streitigkeiten vermeiden sollen, umfas- sen verschiedene Bereiche wie Sach-, Le- bens- und Krankenversicherungen sowie Finanzdienstleistungen; der letzte wurde 1996 verabschiedet. Für jeden Bereich und damit jede Produktart wird detailliert vor- gegeben, wie der Ausgleich zu berechnen ist. Die Grundsätze haben sich seitdem in der Praxis etabliert, auch der Bundes- gerichtshof (BGH) erkennt sie als legitime Schätzmethode an (Urteil vom 23.Novem- ber 2011, Az. VIII ZR 203/11). „Daher gibt es in der Regel keine Proble- me, wenn sich Vertreter bei Streitigkeiten um den Ausgleich für dessen Berechnung auf die Grundsätze berufen“, berichtet Beh- rens. Zum Konflikt kommt es dem Juris- ten zufolge dagegen regelmäßig, wenn Ver- treter eine andere Berechnungsmethode wünschen, was der BGH in seinem Urteil aus demNovember 2011 grundsätzlich zu- lässt. Berichten der beiden Anwälte zufolge sind Handelsvertreter immer wieder unzu- frieden wegen der niedrigen Summe, die sich auf Basis der Grundsätze ergibt. Das verwundert nicht, schließlich sind die Grundsätze ein Kompromiss, den eine In- teressenvertretung der Produktanbieter (GDV) mit einemVerband geschlossen hat, dem viele Auftraggeber von Vertretern an- gehören (BVK). Laut Anwalt Behrens kom- men die Vermittler bei anderen Berech- nungsmethoden oft besser weg (siehe Bei- spielrechnung auf der nächsten Seite). Hohe Anforderungen In der Praxis ist es aber sehr schwierig, vor Gericht eine alternative Berechnungs- » Der Vertreter muss die detaillierten Informatio- nen über Provisionen und Kundenstamm liefern. « Kai Behrens, Kanzlei Behrens fondsprofessionell.de 2/2024 413 FOTO: © KANZLEI BEHRENS

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