SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2023
Anschlussfinanzierung vertragen, wenn sie ihre Objekte behalten und nicht verkaufen. Käufer müssen anders rechnen, weshalb die Transaktionen zurzeit limitiert sind. Welther: Ich kann der Strategie „Schauen wir mal, was geht. Wir kümmern uns!“ durchaus etwas abgewinnen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das Ihre Kunden nicht zufriedenstellt, Herr Lies. Holger Lies (OFG Ohrmundt): Das kommt drauf an! Wenn ein Fonds sauber kalkuliert wurde, ist eine entsprechende Anschluss- finanzierung in der Prospektkalkulation enthalten. Die Fonds, bei denen vor zwei, drei Jahren die Zinsbindung ausgelaufen ist und die mit vier oder fünf Prozent gerechnet hatten, verdienen richtig Geld. Denn sie profitieren auch von der Infla- tion,wenn die Mieten indexiert sind.Wenn weniger als vier Prozent Zinsen ange- nommen wurden, bekommen die Fonds irgendwann Probleme. Bei Fonds, die frü- her knapp kalkuliert haben, um vielleicht Ausschüttungen noch vernünftig darzu- stellen, könnte es also spannend werden. Welther: Das heißt: Beim Langfristinvest- ment Sachwert kommt es plötzlich auf den richtigen Monat und das exakte Timing an? Lies: Nein, es kommt auf das Gesamtpaket an. Ist die Kalkulation realistisch? Ist sie nach heutigemMaßstab vernünftig? Wenn eine Erstfinanzierung über zehn Jahre mit 2,5 Prozent Zins abgeschlossen wird, kalku- liert man nach Ablauf der Zinsbindung weiter 2,5 Prozent oder erhöht man aus Vorsichtsgründen in der Prognose auf vier oder fünf Prozent? Letzteres ist mir per- sönlich viel lieber. Welther: Gab es denn überhaupt Angebote, die den Zinssatz in der Anschlussprognose verdoppelt haben? Lies: Ja, die gab es. Endlweber: Mich würde interessieren, was Sie unter realistisch verstehen? Wenn ich mir überlege, dass die gesamte Immobi- lienbranche davon ausgegangen ist, dass es nie wieder Zinsen geben wird, dann war das damals zwar kraft der Mehrheitsmei- nung eine realistische Annahme, aber nicht nach ökonomischen Gesetzen. Lies: Es geht nicht nur um den Anschluss- zins, sondern um die Gemengelage, in der es viele Ungewissheiten gibt. Wir haben alle keine Glaskugel, um zu wissen, wo in zehn Jahren der Zins steht oder wie sich die Inflation und die Mieten entwickeln. Wir haben lediglich eine Prognose, für die Annahmen getroffen werden. Timo Bernau (GSK): Die Frage ist, was der ordentliche Kaufmann tun würde. Es ist gar nicht so, dass man davon ausgegangen ist, dass die Zinsen nie wieder steigen. Zumindest in den Transaktionsteams ging man schon davon aus, dass die „Party“ auf diesem Niveau wahrscheinlich nicht im- mer so weitergehen wird.Das Problem ver- ursacht hat die Geschwindigkeit, mit der sich die Zinsen gedreht haben, und in der Folge das Ausmaß der Erhöhungen. Und dann stellt sich die Frage: Hätte der ordent- liche Kaufmann das vorhersehen können? Sehr schwierig,wenn man die vergangenen Jahre betrachtet, mit der Coronakrise und mit dem plötzlichen Krieg, den auch kei- ner vorhergesehen hat. Für die ordentliche kaufmännische Kalkulation gab es deshalb viel Interpretationsspielraum. Vielleicht weil das Szenario, das wir jetzt haben, so sicherlich keiner kommen gesehen hat, zumindest nicht in der Geschwindigkeit. Das ist der Grund, warum wir aktuell so viele Probleme imMarkt sehen. Böcher: Man muss sich bei Prognosen an etwas annähern, und wir orientieren uns am Markt, obwohl er in der Regel immer danebenliegt. Das gilt auch für die Infla- tionsrate. Wenn ich einen Prospekt schrei- be und bei meinen Annahmen völlig Jürgen Singer ist Vorstand von Efonds, dem im Jahr 2000 gegründeten und damit ersten internetbasierten Marktplatz für geschlossene Fonds. Mehr als 10.000 Bestandsfonds pflegt Efonds in einer Datenbank. » Die Struktur muss zum Asset passen. Marktrisiken kann dem Anleger keiner abnehmen. « Jürgen Singer Efonds FOTO: © NIKOLA HAUBNER SACHWERTE Roundtable 18 fondsprofessionell.de 2/2023 SPEZIAL
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=