SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2023
anderer Meinung bin als der Markt, be- komme ich keine Zuhörer. Wir nehmen deshalb den Zehn-Jahres-Swap als Anhalts- punkt. Welther: Welche Rolle spielt Fremdkapital überhaupt noch? Immer mehr offene Immobilienfonds machen aus der Not eine Tugend und kaufen allein eigenkapital- finanziert, wenn sie denn kaufen. Schleifer: Das ist bei uns momentan der Fall. Wir haben einen stetigen Mittelzu- fluss, der in die Liquiditätsreserve läuft, und wären dann natürlich in der Lage, Eigen- kapitalinvestitionen zu tätigen, wenn sich der Markt entsprechend darstellt. Das ist gerade für den offenen Fonds eine schöne Situation, weil er bei Kaufgelegenheiten schnell zuschlagen kann und sich nicht um ein Bankdarlehen kümmern muss. Welther: Herr Singer, welche Kriterien veranschlagen Sie bei der Beurteilung von Finanzierungsstrukturen? Singer: Die Struktur muss zum Asset pas- sen.Das Marktrisiko kann dem Anleger so- wieso niemand abnehmen.Deshalb prüfen wir,mit welchemErfolg der Anbieter in den letzten Jahre die Assets gemanagt hat. Wir haben ja schon mehrere Krisen gehabt, und es gibt durchaus Anbieter, die in die- sen Situationen gutes aktives Management betrieben haben.Wir sehen uns außerdem das Netzwerk und die Kernkompetenz vor Ort an. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, Immobilien in den USA von Deutschland aus zu managen. Die Devise muss doch sein, dem Kunden eher weniger zu verspre- chen und ihn dafür positiv zu überraschen. Dafür gibt es aber keine Patentlösung.Man muss jedes Produkt individuell darauf prü- fen, dass Sicherheitspuffer in der Kalkulati- on enthalten sind. Denn kein Mensch weiß, wie lang der Zinsanstieg dauert und wie hoch die Inflation künftig sein wird. Welther: Ein klares Plädoyer für das aktive Management. Singer: Der Vorteil des geschlossenen AIF ist, dass der Anleger weiß, worum es geht und nach welchen Kriterien investiert wird. Das ist auch bei Blindpools so. Letztlich muss man sich auf das Asset Management verlassen, denn das kennt die Märkte am besten. Die Vertriebspartner sollten ihre Kunden zu den Asset Managern bringen, die über Jahre bewiesen haben, dass sie es können. Deswegen tun wir uns generell mit Neueinsteigern und mit neuen Pro- dukten schwer. Endlweber: Mir sind drei Dinge aufgefallen: Dem Kunden soll weniger Rendite ver- sprochen werden, und Blindpools sind auch okay. Die Realität ist aber, dass der Vertrieb beides nicht haben will. Selbst bei nachhaltigen Produkten! Außerdem ist es fraglich, wie relativ junge Branchen und neue Technologien Fuß fassen sollen, wenn der Vertrieb Newcomer de facto ablehnt? Singer: Blindpools sind okay in der richti- gen Marktphase von guten, erfahrenen Anbietern, die in der Vergangenheit bewie- sen haben, dass sie die Investitionen erfolg- reich tätigen. Die aktuelle Marktsituation, in der alle auf fallende Preise warten, spricht dafür. Außerdem können neue Themen doch auch von erfahrenen Leuten aufgegriffen werden. Wer sagt denn, dass Herr Böcher nicht irgendwann eine Idee für eine andere Anlageklasse hat und sich ein Spezialistenteam holt? Man kann es sich nicht so einfach machen. Der Anleger bindet sich für lange Zeit und benötigt daher Vertrauen in die Organisation und die handelnden Personen. Welther: Herr Lies, teilen Sie diese Einschät- zungen, oder gehen Sie anders vor? Lies : Wir sind ziemlich auf einer Wellen- länge, weil ich ähnlich vorgehe. Bei der Thomas Böcher ist Geschäftsführer der Paribus-Gruppe in Hamburg, die Investments für private und institutionelle Anleger in den Assetklassen Immobilien, Eisenbahnlogistik und Private Equity anbietet. » Man muss sich bei Prognosen an etwas annähern, und wir orientieren uns am Markt. « Thomas Böcher Paribus FOTO: © NIKOLA HAUBNER fondsprofessionell.de 2/2023 19
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