SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2021
betrieben haben, ist mit den deutschen Spielregeln vereinbar, auf die es in der Praxis letztlich ankommt. Juristen sind sich uneinig, ob die EU-Ver- ordnung bei den im Crowdfunding weit verbreiteten qualifizierten Nachrangdarle- hen Bestand hat. Die Bafin stellt auf Anfra- ge von FONDS professionell klar: „Sie fal- len nach unserer Auffassung nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.“Der Knackpunkt ist, dass in dem EU-Doku- ment nur von Krediten mit einer „unbe- dingten Rückzahlungspflicht“die Rede ist. Ein weiteres Dilemma ist die Unverein- barkeit der Vorgabe mit dem deutschen Unternehmensgesetz. Da Firmenanteile nicht frei, sondern nur mit einem Nota- riatsakt übertragen werden können, ist die Vermittlung von GmbH-Anteilen durch Plattformen mit ECSP-Lizenz in Deutsch- land ausgeschlossen. Unmut über deutsches Gesetz Endgültig schlug die anfängliche Begeis- terung in Enttäuschung um, nachdem die Bundesregierung das Schwarmfinanzie- rung-Begleitgesetz auf den Weg gebracht hatte. Bis heute kritisiert die Branche das Gesetz heftig. „Es konterkariert aus unserer Sicht das Ziel der ECSP-Verordnung. Die darin enthaltenen Haftungsregelungen – insbesondere zur persönlichen Haftung – sorgen dafür, dass verantwortungsvoll und risikobasiert handelnde Unternehmen das Risiko der Haftung als viel zu hoch und nicht kalkulierbar empfinden“,meint Greta Gaumert, General Counsel & Chief Risk Officer bei Exporo. In der Tat hat der Gesetzgeber die Dau- menschrauben angezogen. Sowohl der Emittent als auch die Crowdinvesting-Platt- formen haften, wenn das Anlagebasisinfor- mationsblatt über das Investmentangebot „vorsätzlich oder fahrlässig irreführende oder unrichtige Informationen“ enthält oder wenn wichtige Informationen nicht angegeben sind. Diese Haftung gilt bei grober Fahrlässigkeit auch für Mitglieder der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der Emittenten und der Plattformen. Ranscht ärgert sich: „Mit dem unverhältnismäßigen, potenziell existenzbedrohenden persön- lichen Haftungsrisiko entstehen hohe Hür- den für die Unternehmen, die den Zugang zu digital vermitteltem Kapital weiter erschweren.“ Anlegerschutz großgeschrieben Bei allem Ärger darf man aber nicht übersehen, dass die EU selbst auf Anleger- schutz großenWert legt. Sie gibt in der Ver- ordnung die Formulierung für den Haf- tungsausschluss und die Risikowarnung im Informationsblatt vor. Bei Kleinanlegern müssen die Kenntnisse und die Verlusttrag- fähigkeit geprüft und außerdem vier Tage Bedenkzeit vor Vertragsabschluss einge- räumt werden. Darüber hinaus sind die Plattformen mit ECSP-Lizenz verpflichtet, einmal pro Jahr die Ausfallquote ihrer ver- mittelten Investments zu veröffentlichen. Auch eine strengere Kontrolle ist poli- tisch gewünscht. Deshalb fallen Plattfor- men mit einem EU-Pass unter das Finanz- dienstleistungsaufsichtsgesetz und das erst im Juni 2021 in Kraft getretene Wertpapier- institutsgesetz. Die Vermittler werden also künftig von der Bafin und nicht mehr vomGewerbeamt kontrolliert. Die Finanz- aufsicht wiederum erhielt mit dem neuen Gesetz umfangreiche Rechte zur Über- wachung und Prüfung der Schwarmfinan- zierungsdienstleister.Dazu gehört auch „die Prüfung ohne besonderen Anlass“ anstelle des Prüfers, der von der Plattform bestellt wurde. Die deutsche Branche hofft, dass sich die regulatorische Situation noch verbessern wird. „Denn die deutsche Umsetzung ist eine Verhinderung der ECSP-Verordnung. Sie widerspricht dem eigentlichen Ziel der Verordnung, eine europaweit einheitliche Regelung zu schaffen, und benachteiligt deutsche Unternehmen“, betont Ranscht. Etwas weniger betroffen sind Unternehmen wie Exporo, die bereits nach dem Kredit- wesengesetz als Finanzdienstleister zugelas- sen sind. „Damit erfüllen wir zum Beispiel im Risikomanagement viele Anforderun- gen der ECSP-Verordnung“, erklärt Gau- mert. „Der deutsche Gesetzgeber wird in der neuen Legislaturperiode gefordert sein, das Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz zu korrigieren, wenn er Investitionen und Innovationen fördern möchte.“ ALEXANDER ENDLWEBER FP » Die deutsche Umsetzung ist eine Verhinderung. « Johannes Ranscht Onecrowd » Unternehmen sehen das Haftungsrisiko als viel zu hoch an. « Greta Gaumert Exporo fondsprofessionell.de 3/2021 73
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