Trotz abflauender Inflation besteht noch kein Raum für Zinssenkungen. Dies sagte der frühere UBS-Chef Axel Weber im Interview mit der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt". "Ich glaube nicht, dass der Zinsgipfel bereits erreicht ist oder die Zinsen schon bald sinken", meint Weber, der nun unter anderem als Berater für den Vermögensverwalter Flossbach von Storch tätig ist. Es sei schwieriger, die Inflation dauerhaft von jetzt 2,4 Prozent auf zwei Prozent zu senken als von zuvor zehn auf drei. "Die letzte Meile ist immer die schwerste."

Als Begründung verweist Weber auf die hohen Energiepreise und Zweitrundeneffekte bei den Lohnverhandlungen. Diese dürften die Inflation sehr viel länger hoch halten, "als sich das die Notenbankvertreter wünschen", argumentiert Weber. "Insofern würde ich mich nicht zu früh freuen", warnt der ehemalige Bundesbankpräsident. In der Vergangenheit seien die Zinsen erst dann wieder gefallen, wenn es entweder zu einer tiefen Rezession gekommen oder die Finanzmarktstabilität bedroht gewesen sei.

"Willkommen zurück in der Normalität!"
"Aber alle, die jetzt fallende Zinsen herbeireden, gehen weder von dem einen noch dem anderen aus", führt Weber in dem Interview mit dem "Handelsblatt" aus. "Sie argumentieren stattdessen, dass die fallende Inflation der EZB mehr Spielraum böte, die Zinsen zu senken." Null- und Negativzinsen seien kein normales Zinsumfeld gewesen. "Und es ist auch nicht erstrebenswert, dorthin zurückzukehren", ergänzt der habilitierte Ökonom. "Willkommen zurück in der Normalität!"

Zudem kritisiert Weber die europäischen Währungshüter. Deren Prognosen hätten die Teuerungsraten "massiv unterschätzt", moniert Weber. "Die Einschätzung, der Anstieg der Inflation sei lediglich ein vorübergehendes Phänomen, war einer der größten Erkenntnisfehler der Geldpolitik in diesem Jahrhundert." Die EZB und auch die Fed hätten schon eineinhalb Jahre zuvor erkennen können, dass die Preise aus dem Ruder laufen, wirft Weber den Notenbankern vor. "Hätten sie früher gehandelt, wäre der finanzielle Schaden für die Unternehmen und privaten Haushalte bei Weitem nicht so groß gewesen." (ert)