Bereits zum zweiten Mal nach 1999 hat der renommierte "Economist" Deutschland zum "kranken Mann Europas" erklärt. Tatsächlich ist die Bundesrepublik neben Argentinien das einzige G20-Land, dem die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem jüngsten Ausblick für das laufende Jahr ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt prognostiziert. 

Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, teilt zwar die "Economist"-Diagnose, ist jedoch davon überzeugt, dass das Land geheilt werden könnte, "wenn es bereit wäre, seinen Lebensstil zu ändern und die für die Genesung angezeigte Medizin einzunehmen", schreibt der Top-Ökonom in einer gemeinsamen Publikation von "Social Europe" und dem "IPG-Journal".

"Der Staat darf nicht nur als Problem betrachtet werden"
Eine Lebensstiländerung setze allerdings ein neues Denken voraus, so Bofinger, der von 2004 bis 2019 dem "Wirtschaftsweisen-Rat" der Bundesregierung angehörte. "Statt eines oft bedingungslosen Vertrauens in die Kräfte des Marktes braucht es eine differenziertere Sicht der Dinge. Der Staat darf nicht nur als Problem betrachtet werden ('Bürokratie'), sondern auch als Lösung für Probleme, die die Märkte aus eigener Kraft nicht 'lösen' können", so der Ökonom im "IPG-Journal".

Schulden als Medizin
Und welche Medizin würde er Deutschland verabreichen? "Staatliche Schulden, eingesetzt als Wachstumsmotor – nicht durch Steuersenkungen und damit einhergehende Transfers, sondern durch mehr staatliche Investitionen, um die Binnennachfrage zu beleben und die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien zu stimulieren", schreibt Bofinger in seinem Artikel für das "Journal für Internationale Politik und Gesellschaft". (mb)