Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweisen") hat in seinem am Mittwoch (8.11.) in Berlin veröffentlichten Halbjahresgutachten seine Wachstumsprognose für das kommende Jahr um fast die Hälfte auf nur noch 0,7 Prozent gesenkt. Im März hatten die Experten noch ein Wachstum von 1,3 Prozent erwartet, nach 0,2 Prozent im Jahr 2023.

Nach der Entgegennahme des Berichts im Kanzleramt sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, die exportabhängige deutsche Wirtschaft befinde sich derzeit in einer Schwächephase, weil die Nachfrage nach deutschen Industriegütern auf den wichtigsten globalen Märkten nur schwach sei. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir jetzt wieder in die Spur kommen und die Wachstumsprozesse voranbringen", so Scholz. "Deshalb sind wir auch zuversichtlich."

Negativer Wachstumsbeitrag des Außenhandels
Als Hauptgrund für den weniger optimistischen Ausblick nannte das unabhängige Beratergremium eine schleppende Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere in China. Dies werde die deutschen Exporte auch im nächsten Jahr belasten und zu einem negativen Wachstumsbeitrag des Außenhandels führen. "Viel bedeutsamer als die konjunkturelle Schwäche sind die mittelfristigen Wachstumshemmnisse für das Produktionspotenzial", sagte Ratsmitglied Veronika Grimm, Star-Referentin auf dem kommenden FONDS professionell KONGRESS in Mannheim. "Stärkere Erwerbsanreize, eine ambitionierte Zuwanderungspolitik, verbesserte Schulbildung und eine Stärkung der Universitäten sind entscheidend. Zugleich gilt es, den Strukturwandel zuzulassen und Investitionen zu mobilisieren, die die Produktivität steigern."
Der Sachverständigenrat führt die diesjährige Schrumpfung auf die fallende Inlandsnachfrage zurück, die vor allem auf einen starken Rückgang der öffentlichen Ausgaben zu Beginn des Jahres 2023, einen Einbruch des Außenhandels und die Straffung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank zurückzuführen ist. Der Rat geht davon aus, dass die durchschnittliche jährliche Inflationsrate in Deutschland in diesem Jahr bei 6,1 Prozent liegen wird, bevor sie 2024 auf 2,6 Prozent zurückgehen wird.

Zur Ankurbelung von Investitionen fordert der Rat einen massiven Ausbau der digitalen und energetischen Infrastruktur und eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die laufende Transformation der Wirtschaft sei aufgrund der angespannten geopolitischen Lage und der Notwendigkeit, die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen, schwieriger geworden, so die Sachverständigen. (mb/Bloomberg)