Vor wenigen Wochen legte der Sachverständigenrat sein Jahresgutachten vor. In dem Bericht mit dem Titel "Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren" zeigen die fünf Wirtschaftsweisen Wege aus der deutschen Wirtschaftsmisere auf. Veronika Grimm, die Mitglied im Sachverständigenrat ist, konstatiert "eine herausfordernde Lage" für die deutsche Wirtschaft. Das sagte sie beim FONDS professionell KONGRESS in einer Diskussion mit Andreas Fruschki, dem Leiter für thematische Aktienanlagen bei Allianz Global Investors. 

Über die aktuelle Konjunkturschwäche hinaus dämpfe unter anderem die Alterung der Bevölkerung das strukturelle Wachstum, so die Wirtschaftsweise, die an der Universität Erlangen-Nürnberg forscht. Ohne Gegenmaßnahmen könnte das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren nach Einschätzung des Sachverständigenrats bei 0,4 Prozent liegen und damit rund einen Prozentpunkt unter dem Wert der vergangenen zwei Jahrzehnte. Sie plädiert für die Förderung qualifizierter Zuwanderung. Investitionen in neue Querschnittstechnologien wie künstliche Intelligenz (KI) könnten das Wachstum zusätzlich stärken.

Dabei gibt sich Grimm überzeugt, dass gerade nachhaltiges Wachstum nötig ist, um die Transformation erfolgreich zu gestalten und wichtige Schritte in Richtung Klimaneutralität zu gehen. "Das wird auch viel Strukturwandel erfordern", sagt die Wirtschaftsforscherin. Für Deutschlands Industrie sieht sie dabei insgesamt durchaus Chancen – etwa in der Etablierung internationaler Handelsstrukturen mit erneuerbaren Energien. Ein weiterer Bereich, in dem die Ökonomin dringende Schritte anmahnt, ist die Digitalisierung. Gerade die öffentliche Verwaltung könne hier ihrer Meinung nach vorangehen: "Das hätte enorme Spillover-Effekte", sagt die Professorin. "Es gilt, die Chancen zu nutzen", so Grimm.

Wachstum in Gewinne umsetzen
Dem enormen Potenzial gerade der erneuerbaren Energien steht aus Sicht der Investoren eine zuletzt sehr enttäuschende Wertentwicklung gegenüber: "Die vergangenen beiden Jahre kam es zu massiven Kurseinbrüchen bei allem, was mit erneuerbaren Energien zu tun hatte", so Allianz-GI-Experte Fruschki. Vielen Firmen sei es bislang nicht gelungen, das Wachstum auch in Gewinne umzusetzen. Außerdem hätte die Börse die Aktien zunächst mit zu viel Euphorie und Vorschusslorbeeren bedacht. Fruschki glaubt, dass die Aktienmärkte inzwischen ein so hohes Maß an Enttäuschung einpreisen, dass der richtige Zeitpunkt für eine Anlage in erneuerbare Energien gekommen sein könnte. (jh)