In den USA nimmt seit einigen Jahren ein Trend Fahrt auf: Mikroinvestments. Darunter versteht man die Investition kleiner Summen, etwa von einem US-Dollar oder weniger. Ein Weg ist das Aufrunden beim Einkaufen. Wenn etwa ein Kaffee 2,70 Dollar kostet, wird der Betrag auf drei Dollar aufgerundet – und 30 Cent fließen in ein Depot.

Mikroinvestments sind mittlerweile auch in Deutschland erhältlich. Vor einiger Zeit brachte das niederländische Start-up Peaks seine App auf den Markt. Ab heute ist auch die App "Financial Wellness" des Hamburger Fintechs Rubarb erhältlich. Die Gründer dieses Unternehmens, das über eine Erlaubnis gemäß Paragraf 32 Kreditwesengesetz für die Anlagevermittlung verfügt, sind Kelvin Craig und die beiden Brüder Fabian und Jakob Scholz – zwei Neffen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Geschäftsführer Fabian Scholz verrät im Interview mit FONDS professionell ONLINE, was das Trio zu der App bewogen hat, wie das Investmentangebot aussehen soll und wie das Unternehmen eines Tages Geld verdienen soll.


Herr Scholz, wie kamen Sie und Ihre Kollegen auf die Idee, Rubarb zu gründen?

Fabian Scholz: Mein Bruder Jakob ist langjähriger Finanzmarktexperte und hat  längere Zeit beim Zinsportal Raisin gearbeitet, wo er Anlageprodukte auf Basis börsengehandelter Indexfonds für Selbstentscheider entwickelt hat. Dabei ist ihm aufgefallen, dass in Deutschland fast ausschließlich diejenigen Zugang zu Finanzmarktprodukten haben, die entweder eine Mindestsumme an Geld oder Ahnung von Finanzen mitbringen, meistens beides. Der Rest, wir schätzen rund 80 Prozent der Bevölkerung, bleibt aktuell in einer Welt, in der es quasi keine Zinsen mehr gibt, außen vor und verliert täglich gegen die Inflation. Diese Menschen haben gar keine Chance, sich zumindest ein kleines Vermögen aufzubauen. Daher wollen wir es ändern

Wie soll das gelingen?

Scholz: Wir wollen jegliche Einstiegsbarriere zum Finanzmarkt eliminieren. Deshalb ist es unser Anliegen, eine App anzubieten, bei der jeder potentielle Nutzer zu dem Ergebnis kommt, dass es eigentlich keinen Grund gibt, diese nicht zumindest einmal auszuprobieren. Natürlich gehören dazu Verfügbarkeit, Verständlichkeit und Einfachheit im Umgang mit der Lösung. Der Preis spielt aber auch eine Rolle. Jemand, der sich noch nie mit dem Finanzmarkt oder ETFs beschäftigt hat, wird ein Preismodell in Prozent vom Anlagevermögen nicht intuitiv verstehen. Außerdem wird er bei einer Preisschranke gleich zweimal überlegen, ob er die App herunterladen möchte. Da der globale Trend ohnehin in Richtung kostenloser ETF-Produkte geht, haben wir uns dazu entschieden, unser Produkt vollständig kostenfrei anzubieten. Wir verlangen keine Mindestanlagesumme und unsere Nutzer können komplett flexibel ein- und auszahlen. Auch all dies ist kostenfrei. 

Keine Kosten? Um die Managementgebühren für die ETFs kommen aber selbst Ihre Kunden nicht herum.

Scholz: Das stimmt. Abgesehen davon fallen allerdings keine Entgelte oder Gebühren an.

Wie funktionieren die App aber genau?

Scholz: Wir arbeiten wir mit dem Prinzip der Aufrundungen. Das heißt, wenn jemand beispielsweise im Supermarkt für 18,38 Euro einkauft, rundet unsere App den Betrag auf 19 Euro auf und die 62 Cent landen im von der DAB BNP Paribas verwalteten Depot des Nutzers. Sie werden also direkt in sein nachhaltiges ETF-Portfolio investiert. Auf diese Weise muss er sich nicht mit Anlageentscheidungen beschäftigen, er investiert sozusagen im Vorbeigehen. Um es kurz zu machen: Wir wollen Nutzern das Sparen und Investieren so einfach wie nur möglich machen. Abgesehen davon sind aber auch Sparpläne sowie Einmalzahlungen möglich. Alle Optionen können auch miteinander kombiniert werden.

Wenn Ihr Angebot weitgehend kostenlos ist, wie finanzieren Sie sich dann?

Scholz: Gute Frage. Um am Ende eines Monats mehr Geld gespart zu haben, als würden unsere Nutzer Rubarb nicht verwenden, bekommen sie bei uns nicht nur Hilfe beim Sparen und Investieren, sondern auch beim Geldausgeben. Wir werden zum einen ein Personal-Finance-Coaching offerieren, mit dem der Verbraucher seine Finanzen optimieren kann. Hierfür wird es eine Gebühr geben, allerdings kooperieren wir zu diesem Thema auch mit Affiliate-Partnern. Außerdem arbeiten wir auch generell mit Affiliates. Unternehmen können über unsere App Marketingkampagnen starten, wofür wir Geld erhalten. Davon können dann unsere Nutzer profitieren. Sie kaufen beim Partner ein und bekommen den offerierten Rabatt direkt in ihr Portfolio ausgezahlt. Es ist also ein modernes Cashback-Programm, das komplett banken- und kartenanbieterunabhängig funktioniert.

Das sind ambitionierte Pläne. Planen Sie Kooperationen mit Finanzdienstleistern und Vermittlern, oder setzen Sie rein auf die direkte Ansprache von Privatkunden via Internet und Social Media?

Scholz: Beides ist für uns denkbar. Eine Zusammenarbeit mit Vermittlern, bei der Provisionen fließen, planen wir aktuell nicht. Die Zusammenarbeit mit Banken oder Finanzdienstleistern aber durchaus eine Option sein. Eventuell kooperieren wir im Rahmen der Affiliate-Programme auch mit anderen Fintechs. Insgesamt ist uns wichtig, dass wir unabhängig von Dritten das für unsere Nutzer stets beste am Markt verfügbare Produkt anbieten können. Solange das gewährleistet ist, können wir uns Vieles vorstellen.

Wie groß ist Ihre Konkurrenz?

Scholz: Der reine Mikroinvestment-Markt ist in Zentraleuropa bisher relativ klein. Aufgrund unserer Bafin-Lizenz, die uns eine schnelle Expansion in alle europäischen Mitgliedsländer erlaubt, sehen wir uns klar als europäisches Unternehmen. Allerdings liegt alleine auf deutschen Konten so viel Geld, ohne dass etwas damit passiert, dass der Markt groß genug für zahlreiche Akteure ist. Wir sehen aktuell nur sehr wenige Mitbewerber, die Lösungen auf diesem Gebiet anbieten – das gilt übrigens für ganz Europa. Es könnten ruhig ein paar mehr sein. Der Wettbewerb hilft, um insgesamt Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Wir sehen das Konkurrenzumfeld daher sehr entspannt und wenn überhaupt, dann positiv.

Sie erwähnten, dass Sie die Kundengelder in ETFs investieren. Welche sind das genau?

Scholz: Wir bieten drei global diversifizierte Portfolios mit nachhaltigen iShares-ETFs an. Das "Relax Portfolio" setzt zu 100 Prozent auf Anleihen, das "Discover Portfolio" je zur Hälfte auf Aktien und Anleihen und das "Challenge Portfolio" zu 100 Prozent auf Aktien. Bei den ETFs setzen wir, wo immer möglich, auf SRI ETFs, die einen Best-in-Class-Ansatz verfolgen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass kein Geld zum Beispiel in Rohstoffe, Waffen oder Kohleenergie fließt.

Wer ist für die Zusammensetzung der Portfolios zuständig?

Scholz: Die Zusammensetzung der Portfolios haben wir gemeinsam mit den Experten von iShares und Blackrock erarbeitet. Dabei haben wir zunächst die Produkte für die einzelnen Portfolios ausgewählt. In einem zweiten Schritt haben wir dann die Kapitalmarktannahmen von Blackrock als Grundlage für die regionale Allokation genommen. Mittels einer Minimum-Varianz-Optimierung haben wir dann die drei optimalen Portfolios gefunden.

Wir danken für das Gespräch. (jb)