Fast überall auf der Welt hat die Inflation im laufenden Jahr die Erwartungen enttäuscht. Auch die Volkswirte von Aberdeen Standard Investments räumen in ihrem aktuellen Marktkommentar ein, dass sie – mit Ausnahme von Großbritannien und Europa – die Entwicklung der Verbraucherpreise falsch vorhergesagt haben. "Offensichtlich unterschätzen Ökonomen noch immer generell die globalen Kräfte, die die Inflation strukturell niedrig halten", sagt Aberdeen-Chefvolkswirt Jeremy Lawson.

Beispiel China: Die chinesische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal um sieben Prozent. Trotzdem stiegen die Verbraucherpreise langsamer als im vergangenen Jahr, als China unter schwacher Nachfrage gelitten hatte. Dabei spielten unter anderem die niedrigen Preise für Agrarrohstoffe und Lebensmittelpreise eine Rolle. Daneben sieht Lawson aber auch andere Faktoren am Werk: So trugen steigende Löhne und Erzeugerpreise ebenfalls dazu bei, dass die Verbraucherpreise nicht rascher kletterten.

Alte Zusammenhänge lösen sich auf
Womöglich hat der Zusammenhang zwischen den Verbraucherpreisen und den sogenannten Inputkosten, zu denen unter anderem die Löhne gehören, generell abgenommen, sagt der Volkswirt. Technologische Fortschritte in der Produktion und die zunehmende Automatisierung haben in China möglicherweise die Bedeutung der Input-Faktoren reduziert. 

Während sich ungenutzte Kapazitäten lange Zeit in einer schwachen Inflation niedergeschlagen hatten, ist seit einigen Monaten ein anderes Phänomen zu beobachten: Die chinesischen Exportpreise konnten ihren jahrelangen Abwärtstrend umkehren und stiegen bis Juli 2017 gegenüber dem Vorjahr um rund sechs Prozent. "Höhere Ausfuhrpreise könnten ein Ventil für höhere Erzeugerpreise sein", sagt Lawson. "Es ist allerdings unklar, weshalb steigende Exportpreise weltweit wenig Inflationsimpuls erzeugt haben." (fp)