Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) warnt, dass der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2021 nicht mehr von derzeit 0,9 auf 0,5 Prozent gesenkt werden kann. Eine solche Senkung hatten die Versicherungsmathematiker Ende 2019 empfohlen, um die Anbieter im anhaltenden Niedrigzinsumfeld zu entlasten. Aus organisatorischen Gründen wird daraus aber wohl nichts. Auch im kommenden Jahr bleibt der Zinssatz, der umgangssprachlich gerne auch als Garantiezins bezeichnet wird, aller Voraussicht nach bei 0,9 Prozent. 

Der Höchstrechnungszins, mit dem Kunden nach Abzug der Abschluss- und Verwaltungskosten sicher rechnen können, wird letztlich vom Bundesfinanzministerium (BMF) festgesetzt. Das Haus von Olaf Scholz (SPD) stützt sich dabei aber auf die Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin und die der Aktuare. Das BMF hat noch keine Entscheidung getroffen wie es auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE selbst bestätigte –  und das ist das Problem. 

"Technische Umsetzung schlicht nicht möglich"
"Bislang liegt keine Aussage vor, wann und in welcher Höhe das Bundesministerium der Finanzen einen neuen Höchstrechnungszins festlegen wird", erklärt Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der DAV "Damit wird die aus unserer Sicht notwendige Absenkung des Höchstrechnungszinses im Rahmen der Rechtsverordnung zum 1. Januar 2021 sicherlich nicht mehr vollzogen, denn in der Kürze der verbleibenden Zeit ist den Lebensversicherern eine technische Umsetzung schlicht nicht möglich. Ohne eine Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung bleibt daher der aktuelle Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent weiter bestehen."

Zum Verständnis der Äußerungen Baders muss man wissen, dass der Höchstrechnungszins anders als viele denken nicht der Zins ist, den Versicherer ihren Kunden gewähren müssen. Er stellt vielmehr die Obergrenze dar, bis zu der sie gehen dürfen. Die seit Jahren existierenden extrem niedrigen Zinsen für Anleihen, der Hauptanlageklasse der Versicherer, führen nun dazu, dass diese immer größere Probleme haben, die zugesagten Zinsen zu erwirtschaften. Aus Wettbewerbsgründen neigen Versicherer aber dazu, immer die höchstmögliche Rendite anzubieten. Der Höchstrechnungszins ist daher ein Mittel, damit die Gesellschaften diese Zusagen nicht zu hoch ansetzen.

Negative Renditen
Die Entwicklung der Zinsen beschrieb der DAV bereits Ende 2019. Die Versicherungsmathematiker basieren ihre Berechnungen in erster Linie auf den Renditen von erstklassig bewerten Anleihen staatlicher Schuldner. Der zugrundeliegende "zehnjährige Euro-Swap-Satz" lag vor acht Monaten erstmals im negativen Bereich. Aktuell sind es minus 0,19 Prozent. Vor zehn Jahren lag dieser Referenzsatz dagegen bei etwa 3,5 Prozent. (jb)