Vertreter von US-Notenbank und Europäischer Zentralbank (EZB) werden nicht müde zu betonen, dass weitere Zinserhöhungen wahrscheinlich sind, um die Inflationsraten in die Nähe ihres Zwei-Prozent-Ziels zu drücken. "Ein klarer Gegensatz zu den Erwartungen der Märkte, die von lediglich einem weiteren Zinsschritt auszugehen scheinen", so Norbert Frey, Leiter Fondsmanagement bei der Fürst Függer Privatbank in Augsburg. Die Aktienrally werde gerade seit Jahresbeginn primär durch temporäre oder auch veraltete Geschichten angekurbelt, warnt der Aktienstratege.

Hinter den Kursanstiegen steckt nach seiner Einschätzung etwa "Short Covering", bei dem zuvor leerverkaufte Titel zurückgekauft werden müssen. Zudem seien sogenannte Meme-Stocks sehr gesucht, also auf Social-Media-Kanälen gehypte Aktien. Und auch die Kurse von Kryptoanlagen seien wieder geklettert. "Das sind alles hochspekulative Positionen", sagt Frey. "Sie bilden nicht ansatzweise eine nachhaltige Kurserholung an den Märkten ab."

Berichtssaison im Blick
Erheblich wichtiger sei da die aktuell laufende Quartalsberichtssaison der Unternehmen. Viele Marktteilnehmer hofften, mit ihr die vorläufig letzten Kursrückschläge zu sehen. Doch das sei ein Trugschluss, mahnt der Fondsmanager: "Was die Prognosen zur Geschäftsentwicklung betrifft, haben wir die Tiefs noch nicht erreicht. Das dürfte erst zur Jahresmitte geschehen."

Die Konjunkturabschwächung habe gerade erst begonnen, und die großen Notenbanken werden die Geldpolitik nach Ansicht Freys weiter straffen. Das von den Märkten gespielte Disinflationsszenario, das die Kurse treibe, sei voreilig. "Denn wir werden es mit anhaltend hohen Inflationsraten zu tun haben. Wir sehen noch kein Ende der Zweitrundeneffekte im derzeitigen Inflationszyklus", so Frey.

Druck auf Gewinnmargen
Die Gewinnmargen in den USA und in Europa seien zwar auf historischen Höchstständen, denn die höheren Einkaufspreise konnten auf die Konsumenten abgewälzt werden. Dies werde aber nicht so bleiben, Preissteigerungen würden schwieriger durchzusetzen, ohne Kunden zu verlieren. "Wir erwarten deshalb weiter anhaltenden Druck auf die Gewinnmargen der Unternehmen", sagt der Anlagestratege. Und die Bewertungen von Aktien seien noch immer zu hoch. "Alles in allem ist dies kein Einstiegsszenario für die Aktienmärkte, selbst ohne den überbewerteten Tech-Sektor in den USA", warnt Frey. (ohm)