Italien gilt – wie zahlreiche seiner Nachbarn in Europa – eigentlich als Land der Börsenmuffel. Doch seit Kurzem entdecken seine Bürger die Vorzüge von Aktien und Fonds, insbesondere für den Vermögensaufbau. Grund dafür sind die neuen individuellen Sparpläne (Piano Individuale di Risparmio, kurz PIR), die das Finanzministerium mit dem Haushaltsgesetz 2017 eingeführt hat, um Italiens Mittelstand zu stärken.

Vorteil der PIR: Anleger müssen keine Steuern auf ihre Gewinne entrichten, sofern sie das Geld mindestens fünf Jahre anlegen. Außerdem müssen 70 Prozent der Gesamtsumme eines Fonds in Aktien von in Italien tätigen Unternehmen fließen. 30 Prozent der Anlagen müssen in Unternehmen gesteckt werden, die nicht zu den 40 großen Werten des Mailänder Leitindex FTSE Mib gehören.

Damit will der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan die lahmende Konjunktur seines Landes anschieben, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (SZ). Wegen der hohen Staatsschulden fehlt es an Geld für Investitionen. Die angeschlagenen Banken drosseln ihre Kreditvergabe drastisch, die Firmen fahren ihre Investitionen runter und stellen keine Mitarbeiter ein. Die jungen Leute ziehen in Scharen aus Italien fort, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit stagnieren. Das geht seit Jahren so. Die steuerfreien Sparpläne scheinen nun die Finanzierungsprobleme des Mittelstandes zu lösen und Privatanlegern Lust auf die Börse zu machen, meint die SZ.

Die Sache hat einen Haken
Mit dem Erfolg der Sparpläne hat indes nicht einmal Padoan selbst gerechnet. Die Mailänder Börse explodiert praktisch. Am AIM, dem Börsensegment für kleine, junge Firmen, stieg das durchschnittliche Tagesvolumen in der ersten Jahreshälfte 2017 um stolze 654 Prozent. Jedoch gibt es bei der Börseneuphorie einen Haken: Es gibt momentan zu viel Geld und zu wenig Anlageoptionen, denn der Markt für kleinere italienische Unternehmen ist extrem eng. Auf die 40 Unternehmen des Standardindex FTSE Mib entfallen knapp 80 Prozent der Börsenkapitalisierung. Ein dauerhafter Erfolg der PIR-Strategie setzt darum einen Kulturwandel in der italienischen Wirtschaft voraus. (fp)