Die Zinsen in Europa werden weiter steigen, ist Paul Casson, Fondsmanager bei Artemis IM, überzeugt. Er stützt seine Prognose im Wesentlichen auf drei Faktoren. Erstens: Die Nachfrage im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor zieht quer durch Europa an, weshalb auch die Investitionen, die über Jahre hinweg sehr niedrig waren, wieder klettern. "Selbst die spanische Wirtschaft, die von einer tiefen Rezession und hoher Arbeitslosigkeit betroffen war, ist wieder bereit zu investieren, um der steigenden Nachfrage zu begegnen“, sagt Casson.

Als zweiten Grund für steigende Zinsen nennt der Fondsmanager eine mögliche Rezession in Europa. Die ist derzeit zwar nicht abzusehen, wird nach Cassons Einschätzung aber früher oder später kommen. "Den Notenbanken ist dies bewusst und sie wissen auch, dass sie dann reagieren und die Zinsen senken müssen“, sagt er. Momentan sind die Zinsen aber so niedrig, dass es dafür kaum Spielraum gibt. "Also braucht es zunächst ein höheres Zinsniveau“, so der Experte. Drittens fährt die Europäische Zentralbank ihr Anleihekaufprogramm zurück. Unter ansonsten gleichen Bedingungen kann dieses Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage laut Casson nur ausgeglichen werden, indem die Anreize für die verbliebenen Käufer verstärkt werden, und zwar durch höhere Zinsen. 

Vorsicht vor fallenden Bewertungen
In der Vergangenheit sorgten sich Anleger, dass die Notenbanken den richtigen Zeitpunkt verpassen könnten und die Zinsen schneller steigen lassen müssten, um die Inflationsrate in den Griff zu bekommen. Das würde Casson zufolge geradewegs in eine neue Rezession führen. Der Fondsmanager gibt aber Entwarnung: Neben den nominalen Zinsen spielen nämlich die realen Zinsen eine entscheidende Rolle, und diese halten momentan ungefähr mit der Inflation Schritt. Das spricht gegen eine Rezession.

Gedanken machen sollten sich Anleger vielmehr um die Auswirkungen höherer Zinsen auf die Aktienbewertungen, die bei vielen Unternehmen sinken dürften. Für besonders gefährdet hält Casson Firmen, die sogar in Wachstumsphasen kaum eine höhere Nachfrage nach ihren Produkten verzeichnen. Unternehmen, die in Boom-Phasen höhere Umsätze erzielen, können den Druck auf ihre Aktienbewertungen durch Ertragssteigerungen ausgleichen. (fp)