Banken machen Ernst mit der Immobiliensuche in Frankfurt. Nachdem auf dem Büromarkt der Main-Metropole im Schlussquartal 2016 ein weithin erwarteter Brexit-Effekt ausgeblieben war, haben Banken in den vergangenen Wochen tatsächlich mit der Ausschau nach geeigneten Objekten begonnen. Das berichten mehrere Immobiliendienstleister in einer Umfrage von Bloomberg News.

"Letztes Jahr war das vor allem ein mediales Ereignis. Nichts Konkretes ist passiert. Das hat sich mit dem ersten Quartal völlig geändert“, sagt Carsten Ape, Deutschland-Chef für das Bürovermietungsgeschäft bei CBRE Group. "Banken prüfen jetzt ernsthaft Standorte.“

Ähnliche Erfahrungen hat auch Benjamin Remy gemacht, der bei Savills für das Bürovermietungsgeschäft in Frankfurt verantwortlich ist: "Mit dem Jahreswechsel sind die Interessenten plötzlich gekommen. Nun gibt es viel Bewegung im Markt." Andere haben gleichlautende Beobachtungen gemacht. "Einige Großbanken gehen jetzt sogar schon so weit, dass sie sich Flächen reservieren", berichtet Stephan Bräuning, Geschäftsführer und Leiter der Büro-Vermietung in der Frankfurter Niederlassung von Colliers International Deutschland. Aber: "Unterzeichnet wurde bislang noch nichts."

Keine EU-Mitgliedschaft, keine Passporting-Rechte
Angesichts der Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) denken Banken und andere Finanzdienstleister aus London über die Verlagerung von Aktivitäten in ein Land des EU-Binnenmarktes nach. Dabei geht es vor allem um den Verlust der so genannten Passporting-Rechte. Banken, die in einem EU-Land ihren Sitz haben, können in allen anderen Mitgliedsstaaten Geschäfte machen. Mit dem EU-Austritt ist dieses Recht für Großbritannien jedoch hinfällig. Als neuen EU-Standort erwägen viele Finanzdienstleister nun neben Frankfurt auch Dublin.

London allein könnte 10.000 Banken-Jobs und 20.000 Stellen im Asset-Management-Bereich verlieren, schätzt der Thinktank Bruegel. Andere Prognosen gehen von bis zu 232.000 Stellen aus oder sehen die Auswirkungen nur bei 4.000 Jobs.

Banken sind nur die erste Welle, Fondsbranche wird bald folgen
Den Immobiliendienstleistern zufolge sind es derzeit vor allem die großen Banken, die nach Büros in Frankfurt suchen. Remy bezeichnet dies als "erste Welle“ – Unternehmen, die größere Flächen brauchen, die kurzfristig nicht so leicht zu finden wären.

Die "zweite Welle“, etwa Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften, würde später folgen. Remy: "Diese Firmen warten erst einmal ab, was die Großen machen. Sie stehen wegen ihres geringeren Flächenbedarfs aber auch nicht so unter Zugzwang.“

Die Ansprüche der großen Banken bei der Immobiliensuche sind hoch. Die Optik ist nicht das einzige Thema, sagt Bräuning: "Die technischen Anforderungen an ein Gebäude und die Notwendigkeit von zusammenhängenden Flächen schränken die Auswahl ein."

Investoren antizipieren bereits jetzt höhere Nachfrage
Doch es geht nicht nur um Größe und Qualität der Gebäude. "Gefragt sind im Moment nur 1A-Lagen. Backoffice-Standorte, wie etwa Eschborn, stehen nicht im Fokus“, berichtet Ape.

Jürgen Schmid, der bei Savills das Frankfurter Immobilien-Investment-Geschäft leitet, ist sich sicher, dass beim Einsetzen des großen Brexit-Ansturms nicht alle Anforderungen der Finanzdienstleister zu 100 Prozent erfüllbar sind: "Es dürfte eine Verknappung geben. Das wird sich auf B-Lagen auswirken. Auch die B-Lagen werden dann durch steigende Mieten profitieren. Und genau das wird von Investoren jetzt auch schon antizipiert.“

Seinen Worten zufolge nimmt die Lust unter Immobilien-Investoren, auf den Brexit in Frankfurt zu wetten, merklich zu. Objekte, die jahrelang keine Interessenten angelockt hätten, würden plötzlich Käufer finden. In Erwartung einer hohen Nachfrage aus dem Finanzsektor schaffen Investoren dort "schicke, neue, coole Büroflächen". (aa)