So schnell kan sich das Blatt wenden, selbst an den als behäbig verschrieenen Rentenmärkten. Die sortieren sich derzeit komplett neu. Waren die Anleiherenditen in Deutschland Anfang Oktober noch negativ bis in das zehnjährige Band hinein, änderte sich die Stimmung bereits kurz vor der US-Wahl, als viele noch dachten, Hillary Clinton würde das Rennen machen, berichten die Analysten der NordLB in der neuesten Ausgabe der "Covered Bond & SSA View". 

Während sich Bundesanleihen bis zu siebenjähriger Laufzeit Anfang Oktober nicht einmal für das Ankaufprogramm der EZB qualifiziert hatten, war das Segment ab fünf Jahre am Montag bereits wieder ankaufbar – und ab acht Jahren Laufzeit sogar positiv. Es begann zudem die längste Talfahrt beim Bund Future seit Mai 2015. Selbst die Rendite 30-jähriger Titel überstieg kurzfristig die Ein-Prozent-Marke.

Wie sich das Bild wandelt
Dieses Bild zieht sich beinahe quer durch das gesamte Spektrum an den Rentenmärkten innerhalb der Eurozone: Italiens Renditestrukturkurve ist ab zwei Jahre im positiven Bereich. Zudem übersprang die Rendite im zehnjährigen Segment erst die Zwei-Prozent-Marke, um im weiteren Verlauf sogar bis auf 2,23 Prozent anzusteigen. Hier spielen neben Spekulanten auch die Risiken des bevorstehenden Referendums mit hinein.

Auch französische Renditen zogen spürbar an, da im Nachbarland 2017 ebenfalls Populisten von Trump'schem Format zur Wahl stehen – im "Front National" um die Parteiführerin Marine Le Pen. Das französische Parlament hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen den amtierenden Präsidenten Francois Hollande eingeleitet. Sein Rücktritt ist aber nicht das Kernziel der französischen Opposition. Trotz der scheinbaren Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Präsidenten – 85 Prozent der Franzosen sind gegen ihn – hat das Verfahren wenig Chancen auf Erfolg. Unruhige Zeiten für Monsieur Hollande trotz Mehrheit im Parlament sind dennoch programmiert.

EZB unter Zugzwang?
Auch ohne die plötzliche Wendung in der US-Präsidentschaftswahl hätten alle Investoren und Emittenten auf den 08. Dezember geblickt, meinen die NordLB-Analysten, denn das ist der Tag der letzten EZB-Sitzung 2016. Nach dem bisherigen Ausbleiben klarer Ansagen bezüglich einer Verlängerung, Aufweichung oder gar eines Taperings waren sich die meisten Akteure sicher, dass die EZB würde handeln muss.

Bisher kommunizierte Mario Draghi klar, das Gremium und er seien sehr zufrieden mit der Wirksamkeit des Anleihekaufprogramms. Niemand wisse, wo die Renditen heute sonst stünden. Doch trotz der monatlich 80 Milliarden Euro kam es zu besagtem Renditeanstieg, die Teile des bisherigen Bemühens der EZB zunichtemachen.

Knappheitsdebatte abrupt beendet
Einerseits endet so die Knappheitsdebatte abrupt ohne weiteres Zutun der EZB respektive abermaliges Aufweichen der Ankaufregeln. Andererseits sind die nun höheren Renditen Gift für viele Volkswirtschaften mit Blick auf die Refinanzierung. Als wäre dies noch nicht genug geldpolitische Unsicherheit, entscheidet sechs Tage später die US-Notenbank Fed, ob sie den eingeschlagenen Kurs der Zinserhöhung im Dezember beibehält.

Der sogenannte "Trump-Effekt" scheint derzeit innerhalb weniger Tage die Handlungen der EZB der letzten Monate zu neutralisieren. Darauf deutet zumindest der Ausverkauf an den europäischen Rentenmärkten hin.

Dieser konnte am Dienstag kurz gestoppt werden, ging dann aber Mittwochs weiter. Fraglich sei, meinen die NordLB-Analysten, ob und wie die EZB auf ihrer Sitzung am 08. Dezember agieren werde. Aufgrund der gestiegenen Renditen endete immerhin die Knappheitsdebatte abrupt. Das Renditeniveau habe quer durch Europa spürbar angezogen. Hinzu kämen politische Risiken in Italien durch das Referendum und in Frankreich durch die Wahl im April 2017.  (kb)