Wenn Investoren aktiv Einfluss auf das ESG-Verhalten (ökologisch, sozial, Unternehmensführung) nehmen, handelt es sich in vielen Fällen um Aktienbesitzer, die als Miteigentümer ihre Stimmrechte nutzen, um das Unternehmen in die "richtige Richtung" zu lenken. Im Unterschied dazu hinken Anleiheninvestoren bei der strukturierten Druckausübung auf Unternehmen hinterher, wie Richard Butters, Head of ESG Credit Integration beim Londoner Asset Manager Aviva Investors, im Gespräch mit der Redaktion sagte. Dabei hätten Anleihenkäufer als direkte Unternehmensfinanzierer einen viel unmittelbareren Einfluss darauf, wie die Betriebe agieren, so Butters.

Deutlich sieht man den Rückstand laut Butters bei den diversen ESG-Bündnissen, in denen Großinvestoren ihr Gewicht bündeln: Bestehende Initiativen seien meist auf Aktienstrategien zugeschnitten, kritisiert Butters. Ein Fortschritt sei hingegen die vor wenigen Wochen veröffentlichte "Bondholder Climate Stewardship Guidance" der Vereinigung IIGCC (Institutional Investors Group on Climate Change).

Emissionsziele einfordern
Es handelt sich um eine Anleitung, wie Investoren verschiedener Anleihetypen Beziehungen zu den Unternehmen aufbauen können, oder wie man Emissionsziele mit Emittenten festlegt und einfordert. Das Haus Aviva Investors, das an der Initiative mitgearbeitet hat, zählt zu den großen Bond-Käufern in Europa – von den gesamten verwalteten Assets in Höhe von rund 268 Milliarden Dollar entfällt etwa die Hälfte auf Anleihen. Insgesamt umfasst die IIGCC-Vereinigung 400 Mitglieder – hauptsächlich institutionelle Vermögensverwalter. Diese können angesichts von Assets in Höhe von 65 Billionen Dollar einen entsprechenden Einfluss ausüben. 

"Nicht nur die Aktionäre haben Einfluss. Die Unternehmen brauchen Fremdkapital und das bringt sie dazu, mit uns darüber zu sprechen, wie sie das von uns zur Verfügung gestellte Kapital verwenden", betont Butters. Das Engagement von Anleihenbesitzern habe nicht zuletzt auch dort Gewicht, wo Unternehmen keine Aktien an der Börse haben. Der Einfluss, den Bondholder auf die Klimaziele von Unternehmen ausüben können, habe momentan "nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient. Das ist einfach nicht so instrumentalisiert, wie im Equity-Bereich", so Butters.

Pilotversuch gestartet
Ausbaufähig seien auch die Möglichkeiten der Einflussnahme auf Regierungen, sagt der Experte. Aviva Investors habe unter anderem Briefe mit den Vorstellungen zu Klimastrategien an rund 50 Staaten verschickt und stehe im Austausch mit Regierungen. Woran es bisher allerdings auch im Government-Bond-Segment fehlt, seien kollaborative Initiativen, wo eine Investorengemeinschaft mit Staaten über Klimamaßnahmen spricht. Um das zu verbessern sei 2022 im Rahmen der UNPRI (Prinzipien der Vereinten Nationen für verantwortliches Investieren) gemeinsam mit anderen Investoren ein Pilotversuch mit der Regierung Australiens gestartet worden. Im Oktober fand ein erstes Treffen zwischen ESG-Investoren und australischen Beamten zum Aufbau von Kontakten und Austausch über Finanzierungsfragen statt. Weitere Gespräche sollen folgen.

Aviva Investors selbst verfolgt seit 2021 ein Climate Engagement Escalation Programme. Hier wurden 30 "systemrelevante" Treibhausgasemittenten aus Industrien wie Gas, Öl und Metalle identifiziert, die bis 2050 bei den Scope-drei-Emissionen (indirekte Emissionen, vom Verbrauch der verkauften Produkte bis zum Abwasser) einen Netto-Null-Bilanz erreicht haben müssen. Wenn die Unternehmen nicht innerhalb von drei Jahren einen plausiblen Plan vorlegen, werden sämtliche Gelder abgezogen, wie es heißt. Es werden laufende Fortschrittsberichte erwartet. (eml)


Service: IIGCC-Guidance zum Download (externer Link)