Fintechs verändern zwar den Markt für Finanzdienstleistungen – sie bedrohen aber nicht den Finanzsektor in seiner Gesamtheit. Vielmehr erweitern die Digitalisierung und damit einhergehende neue Services die Angebotspalette an Finanzdienstleistungen. Das schreibt Dirk Elsner, Senior Manager Innovation und Digitalisierung bei der DZ Bank, in seiner Kolumne auf "Capital.de". 

Mehrfach pro Woche lese er von der Bedrohung der Banken durch junge Unternehmen der Financial Technology (Fintech), vom Angriff auf die Geschäftsmodelle von Banken, einer wahren Fintech-Revolution oder der mutmaßlichen Disruption des gesamten Finanzsektors durch neue Wettbewerber. "Die Gegnerschaft zwischen Banken und Fintechs hochzustilisieren oder gar Angst vor den neuen Entwicklungen zu schüren, scheint eine ziemlich essentialistische und damit altmodische Denkweise zu sein", so Elsner. 

Der Essentialismus gehörte lange zum herrschenden Weltbild der Biologie bis sich Darwins Evolutionstheorie durchsetzte. Bis dahin war man nicht auf den Gedanken gekommen, dass Hasen von Nicht-Hasen abstammen und sich zu Nicht-Hasen weiterentwickeln könnten. "Essentialsten denken, dass ein Hase immer ein Hase bleibt", erklärt Elsner.

Mitläufer oder Trendsetter?
Indes seien auch Banken nicht schon immer da gewesen, auch ehemals ruhmreiche Kreditinstitute seien im Laufe der Zeit untergegangen. Banken veränderten sich stetig weiter, einige würden die Digitalisierung mitmachen – und manche trotzdem untergehen, so Elsner. Ähnlich werde es auch in der Fintech-Welt zugehen: "Es werden weitere Fintechs größer als Banken werden, manche werden wieder vom Markt verschwinden. Aber was sagt das aus? Solche Veränderungen und unterschiedliche Wachstumsraten von Unternehmen sind keine besondere Erscheinung der Digitalisierung." 

Nicht alles, was heute das Etikett Digitalisierung erhalte, sei automatisch gut und besser als die alte Welt. Und auch die Akzeptanz digitaler Leistungen beim Kunden sei kein Selbstgänger. "Das zeigt die weiterhin mangelnde Akzeptanz des Zahlungsdienstes Apple Pay.´" Nach den jüngsten Daten gebe es zwar immer mehr Verbraucher, die mit Apple Pay bezahlen, allerdings belassen es die meisten bei nur einem Versuch. Viele kommen nicht zurück. "Das Bezahlen mit dem Smartphone ist weiterhin kein großer Spaß, nicht einmal mit dem iPhone."

Neues Schlagwort für Consultants
Digitalisierung sei heute also selbst für Unternehmen, die wie Apple über Milliardenressourcen verfügen, alles andere als ein Selbstläufer. Manche, die heute die komplette Digitalisierung aller Geschäftsbereiche von Banken und Nichtbanken fordern, scheinen laut Elsner wenig Ahnung davon zu haben, was das in der Praxis bedeutet. "Niemand kann sich heute in der Praxis hinsetzen und sagen: 'So, nun digitalisiere ich mal das Geschäftsfeld x oder y'." 

Dazu müsste man nämlich genau wissen, was Digitalisierung operativ für die jeweiligen Anwendungsfelder bedeutet. Der Digitalisierungsbegriff verkommt laut Elsner immer mehr zu einer Leerformel, die sich gut in Präsentationen für Top-Manager und Studien von Unternehmensberatungen macht.

Seiner Einschätzung sei weniger die strategische und semantische Analyse des Digitalisierungsbegriffs entscheidend als die vielen Einzelaktivitäten in nahezu allen Geschäftsbereichen des Finanzsektors. "Wenn man diese Änderungen unter dem Mikroskop betrachtet oder selbst erlebt, dann wird schnell deutlich, dass die künstlich gezogene Grenze zwischen Banken und Fintechs überhaupt nicht existiert." (fp/ps)