Während Energieunternehmen am rasanten Verfall der Ölpreise verzweifeln, sorgt der Absturz auf Konsumentenseite für gute Stimmung. Denn durch die seit Jahresbeginn andauernde Abwärtsbewegung fallen die Benzin- und Heizölpreise. Das spiegelt sich auch in den Inflationszahlen der Eurozone wider. "Im April dürfte die jährliche Teuerungsrate auf null abgesackt sein. Sie hat damit innerhalb kürzester Zeit 1,5 Prozentpunkte verloren. An dem deflationären Umfeld dürfte sich kurzfristig wenig ändern", sagt Daniel Hartmann, Chefvolkswirt beim Fondsanbieter Bantleon.

Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) wies kurzzeitig sogar einen negativen Wert auf, der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordessorte Brent sackte am vergangenen Mittwoch auf 16 US-Dollar und damit den tiefsten Stand seit 21 Jahren ab. Die sowieso schon kritische Situation am Ölmarkt wird durch die Pandemie noch verschlimmert – es droht eine Rezession, die sich in ihrer Tiefe nur mit der Großen Depression nach 1929 vergleichen lässt. "Ein Rückgang der Ölnachfrage um 30 Prozent – wie ihn die Internationale Energieagentur für April prognostiziert – scheint plausibel. Die Angebotsseite hat damit nicht Schritt gehalten" , sagt Hartmann.

Opec reagiert zu spät und zu wenig
Die Förderkürzungen der Opec-Plus-Allianz gelten erst ab Mai und umfassen lediglich zehn Prozent. "Bis wieder ein Gleichgewicht am Ölmarkt herrscht, werden noch einige Wochen verstreichen“, prognostiziert Experte Hartmann. "Insgesamt überwiegt eindeutig die Tendenz zu abnehmendem Inflationsdruck. Daran wird sich erst 2021 etwas ändern.“ Bis dahin sollte auch das Angebot am Ölmarkt geschrumpft sein – und sich spürbar auf die Inflation auswirken. Für das kommende Jahr rechnet Hartmann damit, dass die Teuerungsrate in der Eurozone auf 2,5 bis drei Prozent ansteigt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Pandemie abebbt. (fp)