Der jüngste Renditeanstieg bei Staatsanleihen hat die Europäische Zentralbank (EZB) in helle Aufregung versetzt. Man werde die Situation genau beobachten, erklärte Notenbankchefin Christine Lagarde. Die zehnjährige Durchschnittsrendite von Eurozonen-Anleihen hatte in den vorangegangen Wochen von minus 0,25 auf plus 0,1 Prozent zugelegt. "Weniger als 0,5 Prozentpunkte Renditeanstieg haben somit ausgereicht, dass die EZB kalte Füße bekommt", kommentiert Daniel Hartmann, Chefvolkswirt von Bantleon.

Die Renditen entwickeln sich geradezu lehrbuchmäßig, findet der Ökonom. Die Inflation in der Eurozone zieht an, was durchaus im Sinne der Notenbank ist und Anleger nicht beunruhigen muss. Die konjunkturelle Lage verbessert sich ebenfalls. "Das verarbeitende Gewerbe befindet sich sogar in einem regelrechten Boom", sagt Hartmann. "In Anbetracht dieser Perspektiven ist ein moderater Anstieg der realen Renditen gerechtfertigt und für die Wirtschaft verkraftbar." Für die Währungshütern in Frankfurt sei die Zinsreaktion dagegen eine Fehlentwicklung, die korrigiert werden müsse. "Damit setzt sich aufseiten der EZB eine Tendenz fort, das freie Spiel der Marktkräfte bewusst zu manipulieren", kritisiert Hartmann.

Renditen dürften weiter anziehen
Die Aussicht auf moderat steigende Zinsen, die die Anleiherenditen erst recht in die Höhe treiben dürften, wäre kein Schreckensszenario, sondern sogar ein Segen, urteilt der Bantleon-Experte – vor allem für Banken und Sparer. Er hält es mit Blick auf die Finanzmarktstabilität und die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft für gefährlich, makroökonomisch begründete Renditeanstiege zu unterdrücken. "Wir gehen davon aus, dass das ordnungspolitische Gewissen der EZB noch nicht ganz verlorengegangen ist", erklärt er. Spätestens, wenn die Wirtschaft wieder wächst, dürfte auch die Notenbank wieder gelassener reagieren, glaubt Hartmann. Er rechnet damit im zweiten Quartal. "Der renditeseitige Aufwärtstrend sollte sich daher im Jahresverlauf fortsetzen." (fp)