Die US-Notenbank könnte nun doch bereits im Jahr 2023 die Zinswende einleiten, also früher als gedacht. Das erklärten Fed-Mitglieder nach der jüngsten Sitzung der Notenbank in der vergangenen Woche. Bei Anlegern sorgte diese Nachricht für ein kollektives Aufatmen: Gold als Inflationsschutz war plötzlich nicht mehr gefragt, Tech-Aktien bekamen wieder Rückenwind. Die Inflation spielte auf einmal keine Rolle mehr. Es ist allerdings wenig plausibel, dass zwei Leitzinserhöhungen im Jahr 2023 den gerade erst in Gang gekommenen Reflationsprozess schon wieder ausbremsen, sagt Bantleon-Ökonom Andreas Busch.

Seit mehr als einem Jahr schieben Regierungen rund um den Globus die Wirtschaft so kräftig an wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. "Der dadurch entstehende Teuerungsdruck hat seine Wucht noch gar nicht voll entfaltet", ist Busch überzeugt. Momentan seien es vor allem Basiseffekte, kurzfristige Engpässe und Gegenbewegungen zu Corona-bedingten Preiseinbrüchen im vergangenen Jahr, die der Teuerung Auftrieb verschafften. "Künftig wird jedoch die private Nachfrage zu einem nachhaltigen Inflationstreiber", prophezeit der Ökonom. Schließlich haben die privaten Haushalte während der Pandemie viel Geld gespart, das nur darauf wartet, ausgegeben zu werden.

Ein Szenario wie aus dem Lehrbuch
Wird Covid-19 weiter zurückgedrängt, stehen zumindest in den USA alle Zeichen nicht nur auf Wirtschaftserholung, sondern sogar auf Überhitzung, sagt Busch. Er prognostiziert einen beispiellosen Konjunkturboom, der auf eine dynamische Arbeitsmarkterholung trifft, die wiederum zu steigendem Lohndruck führt. "Die Unternehmen dürften ihrerseits in diesem Umfeld die höheren Kosten mehr und mehr weitergeben", sagt er. Das Ergebnis: eine Lohn-Preis-Spirale wie aus dem Lehrbuch.

Anders als von der Fed erwartet wird die Kerninflation in den USA im kommenden Jahr nicht von aktuell 3,4 Prozent wieder auf zirka zwei Prozent zurückgehen, glaubt der Bantleon-Experte. Sie werde vielmehr deutlich darüber verharren. "Die aktuell zu beobachtenden kräftigen Preissteigerungsraten sind gekommen, um zu bleiben", sagt Busch. Mittelfristig dürfte also auch der "Reflation Trade" an den Kapitalmärkten wieder an Fahrt aufnehmen. (fp)