Mit ihren fortgesetzten Leitzinserhöhungen laufen die Zentralbanken Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen. Derweil lässt der Inflationsdruck deutlich nach. Zu diesem Ergebnis kommen die volkswirtschaftlichen Analysten der Fondsgesellschaft Bantleon. "Vieles spricht dafür, dass die Notenbanken inzwischen die Wachstumsrisiken unterschätzen, während sie die Inflationsgefahren überschätzen und damit den Bogen überspannen", schreiben die Experten um Chefvolkswirt Daniel Hartmann.

Die US-Notenbank Fed hatte jüngst die Leitzinsen nicht weiter angehoben. Fed-Chef Jerome Powell deutete jedoch an, dass im Laufe des Jahres die Serie der Zinsanhebungen wieder aufgenommen werden könnte. "Der Inflationsdruck ist nach wie vor hoch, und es ist noch ein weiter Weg, um die Inflation wieder auf zwei Prozent zu senken", sagte Powell auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung. Die EZB hatte zuletzt die Leitsätze angehoben und ebenfalls unter Verweis auf die hartnäckige Teuerung weitere Schritte in diese Richtung angedeutet.

"In einer tiefen Rezession"
Die Volkswirte von Bantleon beurteilen die Lage jedoch anders. So seien weltweit die Erzeugerpreisen rückläufig. Auch die Preise für Industriemetalle und Agrarrohstoffe fallen. Das seien "klare Indizien dafür, dass der globale Teuerungsdruck seinen Zenit durchschritten hat", argumentieren die Analysten. Zudem verweisen die Experten unter anderem auf ein sich verschlechterndes Arbeitsmarktumfeld in den USA sowie fallende Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone. Demzufolge deuten die Zeichen auf eine deutliche Konjunktureintrübung und auf eine nachlassende Teuerung.

"Wir gehen daher davon aus, dass die Wende in der Zinspolitik schneller eintritt, als es derzeit die Notenbanken wahrhaben wollen", schreiben die Bantleon-Analysten. Spätestens zum Jahresende sollte eine heftige Debatte um Leitzinssenkungen entbrennen. "Dann werden sich nach unserer Einschätzung sowohl die USA als auch die Eurozone in einer tiefen Rezession befinden", prophezeien die Volkswirte des Hauses mit Stammsitz in Hannover. Die preisgekrönten Volkswirte warnen bereits seit geraumer Zeit vor einem Abrutschen in eine Rezession.

"Flucht in die sicheren Häfen"
Das hat Folgen für die Finanzmärkte. "In Anbetracht dessen rechnen wir mit einer Flucht in die sicheren Häfen und somit weiter rückläufigen Staatsanleihen-Renditen", folgern die Experten. "Im Gegenzug dürften die Abschwungsängste den globalen Aktienmärkten die Luft abschnüren." Bereits jetzt klaffe eine große Lücke zwischen dem immer trüberen fundamentalen Umfeld und dem jüngsten Höhenflug bei Aktien. "Die Hausse sollte somit über kurz oder lang von einer erneuten Baisse abgelöst werden", prophezeien die Analysten. (ert)