Knapp zwei Monate nach der Bargeld-Reform hat die indische Wirtschaft massive Probleme. Indiens Premierminister Narendra Modi hatte Anfang November auf einen Schlag rund vier Fünftel des Bargelds im Land für ungültig erklärt. Große Banknoten wie die alten 500- und 1000-Rupien-Scheine sollten als Zahlungsmittel nicht mehr akzeptiert werden. 

Mit diesem radikalen Schritt soll Indiens Schattenwirtschaft, die vermutlich 40 Prozent der Gesamtwirtschaft ausmacht, reguliert und besteuert werden. So wollte Modi Schwarzgeld und Korruption bekämpfen. Nach dem 30. Dezember sollte sich die Lage normalisieren, hatte er versprochen. Davon ist allerdings nichts zu merken, berichten diverse Zeitungen.

Der Notenbank ist es bisher nicht gelungen, genügend neue Scheine zu drucken. Vielerorts sind die Geldautomaten leer, Banken zahlen umgerechnet höchstens 350 Euro pro Woche aus – viele Inder sitzen auf dem Trockenen. Vor allem die Landbevölkerung hat Probleme: Wer in abgelegenen Gegenden wohnt, hat häufig kein eigenes Bankkonto. Das ist aber eine Voraussetzung, um alte Scheine umtauschen zu können. Darüber hinaus sind die Wege zur nächsten Bankfiliale auf dem Land oft sehr weit.

Keiner weiß, wohin
Verlässliche Informationen waren zuletzt Mangelware. Seit Verkündung der Bargeldreform am 8. November haben das indische Finanzministerium und die Notenbank zusammengenommen mehr als 50 Anordnungen zum Geldschein-Umtausch erlassen, die sich teilweise widersprachen. Auf lange Sicht will die indische Regierung mit der Reform nicht nur Schwarzgeld bekämpfen, sondern das Bargeld komplett abschaffen und durch elektronische Zahlungen ersetzen.

Massive Verunsicherung bei Anlegern
Anleger quittierten den drastischen Schritt mit Kursverlusten, indische Aktien und die Rupie brachen dramatisch ein, da Anleger über Dauer und Umfang des konjunkturellen Luftlochs spekulierten. Der indischen Regulierungsbehörde zufolge zogen ausländische Investoren im November Kapital im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar aus indischen Aktien ab.

Dennoch sind die Sorgen der Anleger nach Ansicht von Euan Weir, Fondsmanager für internationale Aktien bei Kames Capital. möglicherweise unbegründet. Nach seiner Auffassung wird die indische Wirtschaft kurzfristig zwar leiden, langfristig könnte diese Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung jedoch erhebliche Gewinne bescheren.Bei Unternehmensbesuchen vor Ort sagten Manager Weir gegenüber, dass sie die Entwertung der Banknoten ungeachtet der immensen Auswirkungen auf die Umsätze, die bei Verbrauchsgütern und im Automobilsektor bereits zu spüren seien, grundsätzlich begrüßten. "Es gibt eine heimliche Angst vor Unruhen, wenn nichts mehr geht“, so Weir. "Die Konsensmeinung geht jedoch von einem ein- bis zweimonatigen Liquiditätsengpass aus, gefolgt von einer drei- bis sechsmonatigen Phase der wirtschaftlichen Erholung.“

Konjunkturpakate als wirksame Gegenmaßnahme
Der Haushaltsentwurf im Januar dürfte nach Einschätzung von Weir dann eine Flut von Stimulierungsmaßnahmen enthalten, darunter Infrastrukturausgaben und möglicherweise Einkommensteuersenkungen. Sobald diese Veränderungen ihre Wirkung entfalten, dürften einige Sektoren attraktiver werden. "Zuvor haben wir unsere Positionen in Indien aus Bewertungsgründen reduziert, da wir davon ausgingen, dass die meisten Positivmeldungen wie Zinssenkungen und die neue Mehrwertsteuer bereits eingepreist waren“, erläutert Weir.

Auf kurze Sicht dürfte der Kurswechsel Indien sicherlich weiter belasten. "Wir sind jedoch davon überzeugt, dass es vor allem im Konsum-, Infrastruktur- und Bankensektor Kaufgelegenheiten geben wird, sobald sich die Lage beruhigt hat", beschwichtigt Weir. (fp/ps)