In einem weithin beachteten Urteil (Urteil vom 28.1.2015, Az.: 1 U 32/13) hatte das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) Anfang des Jahres die Commerzbank dazu verdonnert, gegenüber der Krefelder Hildegard Bredemann-Busch-du Fallois Stiftung eine Entschädigungszahlung in Höhe von rund 250.000 Euro zu leisten, Begründung: Das Gericht warf der Commerzbank nicht nur Fehler im Hinblick auf eine anleger- und objektgerechte Beratung vor, das Institut habe die Stiftung auch nicht über Höhe und Umfang der dabei anfallenden Provisionen und Kickbacks informiert. Das Urteil des OLG Frankfurt ist seit Langem das erste bekannt gewordene, in dem eine Bank zum Schadensersatz für die fehlerhafte Anlageberatung einer Stiftung verurteilt wurde. Welche Schlüsse ziehen Stiftungen und Banken daraus? FONDS professionell sprach darüber mit Jörg Seifart, Geschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen (GfdS), und Stefan Fritz, Direktor Stiftungsmanagement bei der Hypovereinsbank. 

Herr Seifart, rechnen Sie vor dem Hintergrund des OLG-Urteils nun mit einer Klagewelle von Stiftungen gegen ihre Banken?

Jörg Seifart: Es ist schon zu beobachten, dass man sich auf Seiten der Anlegerschutzanwälte, aber auch auf Seiten mancher Stiftungen entsprechende Hoffnungen macht. Auch einzelne Verbraucherschutzverbände haben offenbar kurz nach der Urteilsveröffentlichung schon Arbeitskreise zu dem Thema gebildet. Das Urteil hat also schon hohe Wellen geschlagen. Inwieweit es tatsächlich zu einer Klagewelle kommt, vor allem aber, ob eine Klage im Einzelfall erfolgversprechend wäre, steht aber noch in den Sternen. Sicher dürfte sein, dass Stiftungen künftig hochgradig sensibilisiert sind, was eventuelle Schadensersatzansprüche angeht. Die Haftungsverteilung zwischen Banken und Stiftungen wird jedenfalls verstärkt in die Diskussion kommen. Gegen eine regelrechte Regresswelle, die auf Banken zukommen könnte, spricht aber, dass es im konkreten Fall um eine geschlossene Fondsbeteiligung ging. Dieses Anlageinstrument wurde von Stiftungen in der Vergangenheit nur vereinzelt gewählt. Allerdings waren auch einige Produkt- und Beratungsmerkmale relevant, die sich unter gewissen Umständen verallgemeinern lassen.

Über welche Faktoren sprechen Sie konkret?

Seifart: Das Gericht stellt im Kern auf zwei Faktoren ab: Zum einen habe die Bank den Stiftungsvertreter nicht hinreichend über die vom Initiator an sie gezahlten Rückvergütungen, sogenannte "Kickbacks", aufgeklärt. Zum anderen sei die Beratung nicht anlegergerecht gewesen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Einzelanlageziel der Stiftung der Erhalt ihres Stiftungskapitals gewesen sei. Aus dem ersten Punkt dürfte für die Branche, so versichern Bankrechtler, kaum zusätzlicher Handlungsbedarf resultieren. Denn die Banken sind bereits aufgrund der bereits seit einigen Jahren geltenden Rechtslage dazu verpflichtet, ihre Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären. Ich stelle aber fest, dass die Beratung von Stiftungen oft noch viel zu leger gehandhabt wird. Die speziellen Anforderungen einer Stiftung und die tatsächliche Bedeutung von Beratern werden vielfach noch viel zu sehr auf die leichte Schulter genommen.  Etwas ketzerisch ausgedrückt möchte ich schon bezweifeln, dass jedem Berater klar ist, ob bei Stiftungen nun der reale oder der nominale Kapitalerhalt maßgeblich ist oder ob es womöglich auf die einzelne Regelung der Stiftungssatzung ankommt. Und der stiftungsspezifische Kapitalerhalt ist nur ein Beispiel für Besonderheiten bei der Betreuung von Stiftungen. Insofern lässt sich die in dem Urteil festgestellte Haftung sicherlich auf jede nicht stiftungsgerechte Beratung anwenden. Warum sollten Stiftungen auch weniger geschützt sein als andere Anleger? 

Was raten Sie einer Stiftung, die sich von ihrer Bank oder auch anderen Finanzdienstleistern schlecht beraten fühlt? Gibt es bestimmte Qualitätsmerkmale?

Seifart: Grundsätzlich muss man sich als Investor überlegen, ob man zunächst nur das klärende Gespräch suchen oder gleich den Berater wechseln will. Eine Alternative zu finden, ist natürlich auch nicht einfach, denn Sie werden kaum einen Finanzdienstleister finden, der sich nicht wie zufällig einer ausgesprochenen Stiftungsexpertise rühmt – gerade wenn man als Stiftungsvertreter anruft und einen Termin vereinbaren möchte. Aus der Perspektive einer Stiftung, die die Spreu vom Weizen trennen will, wären meine Erwartungen an eine Bank oder einen freien Berater die folgenden: Zum einen sollte der Anlagevorschlag so gestaltet sein, dass er auch für den normalen Stiftungsentscheider, der in aller Regel kein Finanzexperte ist, in vollem Umfang verständlich ist.  Häufige Anglizismen und überladene Grafiken in Angebots- oder Berichtsunterlagen sind da eher ein Negativmerkmal. Neben einem angemessenen Preis-Leistungsverhältnis, ist natürlich auch die Transparenz der angebotenen Gebührenmodelle wichtig. Das Hauptaugenmerk der Stiftung sollte eher auf der Beratungskompetenz liegen als auf der Solvenz von Bank oder Berater als potenziellem Schadensersatzgläubiger. Gibt es eine interne oder externe Stiftungsabteilung? Hat das Institut in eine einschlägige Qualifizierung des Beraters investiert? Solche Fragen darf eine Stiftung stellen, denn die Antworten können wichtige Indizien für die Beratungsqualität sein. Eine Testfrage: Wenn ein Berater auf Anhieb die Funktion einer Umschichtungsrücklage erklären kann, dann ist man als Stiftung schon recht gut bei ihm aufgehoben. Bei der Fremdvergabe größerer Mandate gehen immer mehr Stiftungen ohnehin dazu über, eine Ausschreibung selbst durchzuführen oder von Profis durchführen zu lassen.

Welche Konsequenzen sollten Banken aus der OLG-Entscheidung ziehen und was macht Ihr Haus, Herr Dr. Fritz?

Stefan Fritz: Einzelne Institute nehmen Stiftungen erst gar nicht mehr als Kunden an. Das ist aber natürlich die Ausnahme. Für Banken, die bereits in der Vergangenheit in die Beratungsqualität für diese Kundengruppe investiert haben, sollte das Urteil eher eine Bestätigung sein als eine Bedrohung bedeuten. Es macht aber eines klar: Die Betreuung von Stiftungskunden ist anspruchsvoll und kann spätestens ab jetzt nicht mehr „nebenher“ erfolgen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Beratung von Stiftungen zu organisieren. Entweder, man führt die Stiftungskunden bei einzelnen Kundenbetreuern zusammen, oder man hält das stiftungsspezifische Know-how in Gestalt besonders qualifizierter Spezialisten vor. In unserem Institut fahren wir zweigleisig und bieten den Kundenbetreuern von Stiftungen im gehobenen Privatkundensegment und im öffentlichen Sektor spezielle Qualifizierungsmöglichkeiten an. Darüber hinaus steht in jedem Kundensegment ein zentrales Kompetenzzentrum Stiftungsmanagement zur Verfügung. Die Veröffentlichung des Urteils haben wir zum Anlass genommen, die Trainingsprogramme zu aktualisieren und das Informationsmaterial zu überprüfen.

Stiftungen suchen händeringend nach Anlagealternativen, um den Ertragsschwund bei den klassischen Stiftungsinvestments auszugleichen. Scheiden geschlossene Immobilienfonds nach diesem Urteil jetzt aus?

Fritz: Nein. Dem Urteil liegen ein Produkt und eine Belastungssituation aus dem Jahr 2001 zugrunde. Die damaligen Rahmenbedingungen sind mit den heutigen nicht vergleichbar. Das fängt schon bei der Fremdwährungsfinanzierung an, die zwischenzeitlich selbst bei Bestandsfonds weitgehend eliminiert ist. Viele andere risikorelevante Faktoren sind heute nach Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) gesetzlich reglementiert. Schon zuvor hatte sich die Rechtslage  hinsichtlich der Offenlegung von Rückvergütungen zu Gunsten der Investoren geändert. Ob die spezifischen Risiken eines Investments in geschlossene - oder auch offene - Immobilienfonds mit der Risikotragfähigkeit der einzelnen Stiftung vereinbar sind, lässt sich nur von Fall zu Fall entscheiden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das Urteil die Fondsinitiatoren dazu veranlasst, verstärkt über spezielle Anlageprodukte für Stiftungen nachzudenken.

Welche Anlageinstrumente sind überhaupt für Stiftungen geeignet, welche nicht?

Fritz: Das lässt sich nach Bekanntwerden des Urteils nicht leichter beurteilen als vorher. Denn verallgemeinerungsfähige Aussagen dazu enthält es nicht. Die Frage muss jeder Stiftungsvorstand für seine Stiftung beantworten. Folgende Fragen sollten Stiftungsmanager und entsprechend deren Berater unter anderem stellen und mit der Anlageentscheidung dokumentieren: Sprechen Restriktionen in Stiftungssatzung oder gegebenenfalls Anlagerichtlinie gegen die Anlageklasse oder das Anlageinstrument? Welchen Beitrag soll das Investment langfristig zur Erreichung der Anlageziele Vermögenserhaltung, Ausschüttungen und – im Hinblick auf das Gesamtvermögen – Sicherheit konkret leisten? Besteht ein vollständiger Überblick über die mit dem Investment verbundenen Kosten? Bleibt die Gesamtverwaltungskostenquote im unkritischen Bereich? Reicht die Anlageexpertise im Stiftungsvorstand aus, um die Anlageentscheidung zu treffen oder ist weitere externe Beratung notwendig? Und welcher (Mehr-)Aufwand resultiert aus der Anlage für Rechnungslegung und Controlling? Schließlich ist natürlich noch die generelle Frage zu beantworten, ob das Investment mit dem Stiftungszweck vereinbar ist. Und um noch einmal die „Testfrage“ von Herrn Seifart aufzugreifen: Natürlich fragen wir Stiftungen nach der Umschichtungsrücklage. Ohne diese Information können sie eine Anlagestrategie für Stiftungen gar nicht erst ausarbeiten. (hh)

Fortbildungsangebot für Banker und freie Berater im Stiftungswesen:
Jörg Seifart und Stefan Fritz wollen ihr Hintergrundwissen auch anderen Finanzdienstleistern zugänglich machen. Die beiden Experten haben dazu eine eigene Seminarreihe mit dem Thema "Stiftungen erfolgreich in der Vermögensanlage beraten" entwickelt. Damit wollen sie der immer noch weit verbreiteten Unsicherheit darüber, welche Finanzprodukte und -strategien für Stiftungen eigentlich zulässig und empfehlenswert sind, begegnen. Im Hinblick auf eine bedarfsorientierte Beratung beantwortet das Praxistraining die ersten wichtigen Fragen für Berater. Infos dazu gibt es auf der Webseite der Gesellschaft für das Stiftungswesen (GfdS).