Fondsmanager Bert Flossbach glaubt nicht an eine dauerhafte Trendwende am chinesischen Aktienmarkt. Das jüngste Kursfeuerwerk an den Börsen der Volksrepublik dürfte sich "wie so oft als Strohfeuer erweisen", schreibt der Mitgründer des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch in seinem jüngsten Kapitalmarktbericht. "Für Aktieninvestoren war China in den vergangenen 20 Jahren ein trauriges Beispiel dafür, dass Wirtschaftswachstum sich nicht eins zu eins in der Börsenentwicklung niederschlägt, wenn wichtige Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Corporate Governance, mangelhaft sind", so Flossbach.

Das Politbüro von Chinas Präsident Xi Jinping hatte Ende September eine "energische" Unterstützung der lahmenden Wirtschaft angekündigt. Flossbach hebt insbesondere die "ungewöhnlich deutliche" Ansage der Zentralregierung hervor, den Rückgang der Immobilienpreise stoppen zu wollen, der seit Jahren auf dem Konsum lastet und die Konjunktur bremst. "Damit hat der Pekinger Machtapparat zum ersten Mal seit Beginn der Immobilienkrise explizit eine Erholung des Immobilienmarkts als Ziel formuliert, um den Abschwung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufzuhalten", so der Vermögensverwalter.

Die Schulden steigen…
Flossbach bezweifelt jedoch, dass es der chinesischen Staatsführung gelingen wird, das Ruder herumzureißen: "Denn die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft wären auch mit dem Ende des Preisverfalls am Immobilienmarkt nicht gelöst." Er verweist unter anderem auf die mangelhafte soziale Absicherung im Alter, die zu einer hohen Sparquote und einem entsprechend niedrigen privaten Konsum führt. Hinzu komme die Jugendarbeitslosigkeit von fast 19 Prozent, selbst Hochschulabsolventen hätten bei der Stellensuche große Probleme.

"Die schlechte Stimmung spiegelt sich auch im Vertrauen der Konsumenten wider, das sich seit der Covid-Krise noch nicht erholt hat", so Flossbach. Außerdem sei ein Großteil des chinesischen Wachstums schuldenfinanziert. Addiere man die Schulden der Privathaushalte, der Unternehmen und des Staates, liege die Gesamtverschuldung mittlerweile bei etwa 290 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und damit höher als in den USA oder der Eurozone. "Viele staatliche Investitionen sind in unrentable Projekte geflossen", kritisiert der Fondsmanager. "Da auch der Konsum die Wachstumslücke nicht nachhaltig schließen kann, bleiben theoretisch nur noch die Exporte, die aufgrund der inzwischen erreichten Größe Chinas aber immer weniger ins Gewicht fallen." Auch der einst so wichtige Bausektor werde nicht mehr zu alter Stärke zurückfinden, schon weil die Regierung die Zahl der Neubauprojekte beschränken wolle.

… während die Bevölkerung schrumpft
Hinzu komme als "langfristige Herausforderung" der Bevölkerungsrückgang. "Im vergangenen Jahr wurden gerade einmal neun Millionen Geburten, also 6,4 pro 1.000 Einwohner, verzeichnet", berichtet Flossbach. "Damit markierte die Geburtenrate einen neuen Tiefpunkt, während die Sterberate mit 7,9 den höchsten Stand seit 1974 erreicht hat."

Da es zudem mehr Aus- als Einwanderungen gebe, schrumpfe die Bevölkerung noch stärker. "Daran dürfte sich auf absehbare Zeit wenig ändern, trotz aller Bemühungen, Familien mit mehr Kindern zu fördern", meint Flossbach. Zuletzt lag die durchschnittliche Anzahl an Neugeborenen pro Frau landesweit bei 1,1. "Zur Aufrechthaltung der Bevölkerungszahl (ohne Zuwanderung) ist ein Wert von 2,1 erforderlich", erinnert Flossbach. (bm)