In der Finanzwelt spielt Nachhaltigkeit inzwischen eine große Rolle – allerdings weiß niemand so genau, was darunter eigentlich zu verstehen ist. "Es fehlt an einer einheitlichen Definition", sagt Bert Flossbach, Fondsmanager bei Flossbach von Storch: "Und selbst wenn es eine allgemein akzeptierte ethisch-moralische Instanz gäbe, die eine Definition festlegt, bliebe immer noch das Problem der Messbarkeit." 

Aktuell geistern verschiedenste Auslegungen von Nachhaltigkeit durch die Branche. Häufig werden einfach Moralvorstellungen zu Ausschlusskriterien umformuliert, die wiederum zu Anlageverboten führen. Das verkleinert das Anlageuniversum deutlich. "Hans Carl von Carlowitz dürfte sich wundern, was außerhalb der Forstwirtschaft mittlerweile alles möglich ist", unkt Flossbach. Von Carlowitz gilt als Erfinder des Nachhaltigkeitsbegriffs. Er verwendete ihn erstmals im Jahr 1713 im Zusammenhang mit einer kontinuierlichen, beständigen Forstwirtschaft: Es soll nicht mehr Holz gefällt werden, als nachwachsen kann, so sein simpler Gedanke.

"Best-in-Class"-Ansatz ist auch keine Lösung
Was Flossbach besonders stört ist der Umstand, dass auch in der Asset-Management-Szene mit dem Nachhaltigkeits-Label bisweilen Schindluder zu reinen Marketingzwecken betrieben werde. "Nachhaltigkeit taugt aber nicht als Werbegag", findet der Investmentprofi – und gibt ein paar Beispiele für das Begriffswirrwarr.

Da gebe es Ökomoral (keine Autos mit Verbrennungsmotor), Gesundheitsmoral (kein Zucker, kein Alkohol, keine Zigaretten), pazifistisch geprägte Moral (keine Waffen), religiös geprägte Moral (keine Zinsen, keine Verhütungsmittel), die ultimative Moral (nichts Unmoralisches) und – last, but not least – "natürlich die Doppelmoral: Man fährt morgens zwar mit dem Auto zur Arbeit und genießt abends ein Glas Wein, schließt aber Produzenten von Energie, Autos und Alkohol als Anlagen aus."

Inzwischen hat sich der sogenannte Best-in-Class-Ansatz für die Auswahl von Aktien für nachhaltige Portfolios etabliert. Das Prinzip: Das betreffende Unternehmen zählt quasi zu den Besten unter den Schlechten. "Damit ist es möglich, mit gutem Gewissen auch in eigentlich verpönte Branchen zu investieren", sagt Flossbach. Auch mit Umsatzobergrenzen für schmutzige Geschäfte in einem ansonsten sauberen Konzern lässt sich das Schrumpfen des Anlageuniversums begrenzen.

Zudem gibt es inzwischen Ratingagenturen, die Investoren helfen, ihre Strategien umzusetzen. "Die größte Fehlerquelle ist aber bekanntlich der Mensch", so Flossbach. Nachhaltiges Investieren müsse deshalb bei den Menschen ansetzen – vor allem bei denen, die wichtige Entscheidungen treffen und so die Kultur eines Unternehmens prägen. (fp)