In den USA haben die Verbraucherpreise im Mai um sage und schreibe fünf Prozent angezogen – der kräftigste Anstieg seit August 2008. Zumindest zum Teil ist dieser Anstieg allerdings darauf zurückzuführen, dass die Vergleichsbasis infolge der Pandemie außergewöhnlich niedrig liegt, sagt Bert Flossbach, Co-Gründer des renommierten Asset Managers Flossbach von Storch (FvS). "Ob wir am Beginn einer neuen Inflationsära stehen oder die steigende Inflation nur temporärer Natur ist, lässt sich frühestens dann sagen, wenn die pandemiebedingten Verzerrungen vorbei sind", erklärt er.

Vor allem die Preise für Rohstoffe und Energie sind stark gestiegen. Der Benzinpreis kletterte im Vergleich zum Vorjahr um satte 56 Prozent. Auch die Kerninflationsrate, also die Teuerung ohne Energie- und Lebensmittelpreise, zog allerdings um 3,8 Prozent an und damit so kräftig wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Also doch eine nachhaltige Aufwärtsbewegung? Anhand der aktuellen Daten lasse sich das kaum sagen, urteilt Flossbach: Die Entwicklung der Kerninflation sei zuletzt ebenfalls auf temporäre, pandemiebedingte Angebotsengpässe zurückzuführen gewesen. 

"Ein Lehrbeispiel hierfür ist der sprunghafte Anstieg der US-Gebrauchtwagenpreise", sagt der Vermögensprofi. Sie kletterten gegenüber dem Vorjahr um fast 30 Prozent, weil der starke Rückgang der Neuwagenkäufe zu Beginn der Pandemie ein geringeres Angebot ein Jahr später zur Folge hatte. Zugleich sorgten die Hilfsprogramme der Regierung gemeinsam mit Nachholeffekten für eine höhere Nachfrage. Diese Gemengelage mündete in einem überproportional starken Preisanstieg.

Was für einen längerfristigen Preisauftrieb spricht
Die Pandemie-Effekte dürften in den kommenden Monaten nachlassen, sagt der FvS-Chef. "Allerdings bleibt das Risiko, dass der aktuelle Inflationsschub durch Engpässe in den Lieferketten etwas länger anhält und dadurch zu höheren Inflationserwartungen der Menschen und damit höheren Lohnforderungen führt", analysiert er. Diese Gefahr droht nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im Mai um 2,5 Prozent, so stark wie zuletzt im September 2011. Für das Jahresende hält Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sogar vorübergehend vier Prozent für möglich.

Zwar erwartet die Europäische Zentralbank (EZB) für die kommenden zwei Jahre eine Inflationsrate von moderaten 1,5 beziehungsweise 1,4 Prozent. Diese Prognose birgt allerdings Risiken, sagt Flossbach: Sollte die Inflation doch dauerhaft höher liegen, könnten die Bürger das Vertrauen in die Fähigkeit der Notenbank verlieren, den Geldwert stabil zu halten. (fp)