Die meisten Anbieter wollen den vereinbarten Schutz bei Betriebsschließungsversicherungen (BSV) nicht für den Fall von Pandemien angewendet wissen. Ihre Argumente sind dabei immer gleich, so auch bei der Helvetia: Gezahlt wird nur, wenn die zuständige Behörde den konkreten Betrieb wegen Corona-Fällen geschlossen hat und/oder Covid-19 als ganz neue Erkrankung in den AVB aufgelistet ist.

Gemäß den Bedingungen (BS-21-0801) wird entschädigt, wenn die zuständige Behörde nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) den Betrieb schließt. "Alle meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind in den Bedingungen abschließend aufgezählt", heißt es in einer Helvetia-Antwort an einen Kunden, der eine Schadenanzeige geschickt hatte.

Erste Instanz bestärkt Helvetia
"Da das Corona-Virus nicht aufgeführt ist, sind durch dieses Virus ausgelöste Betriebsschließungsschäden nicht versichert." Etwaige Änderungen im IfSG spielten dabei keine Rolle. Maßgeblich sei "alleine die abschließende Aufzählung der auslösenden Erreger in den Bedingungen", heißt es in der Ablehnung weiter, zu der die Helvetia gegenüber der Redaktion im März und auch später keine Stellung nehmen wollte. Im Mai bot die Gesellschaft dann vereinzelt Gastwirten eine Entschädigung an, die lediglich einem Bruchteil der Versicherungssumme entsprach.

Nun gibt es erste Gerichtsurteile zugunsten der Helvetia. Das Landgericht Oldenburg (Az.: 13 O 2068/20 – nicht rechtskräftig) weist mit Urteil vom 14. Oktober die Klage eines Gastronomen aus dem Landkreis Oldenburg auf Zahlung von 123.000 Euro zurück, der seit 2017 eine "Business All Inclusive Police" der Helvetia besitzt, die auch eine BSV infolge einer Seuchengefahr umfasst. Anders als andere Landgerichte kamen die Oldenburger Richter zu dem Schluss, dass es sich bei den in den AVB genannten Krankheiten und Erregern um eine abschließende Aufzählung handele, die vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch so verstanden werde.

"Ein verständiger Versicherungsnehmer wird auch nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der Paragrafen 6 oder 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden", heißt es in der Urteilsbegründung. Das ist eine kühne These, weil damit im Prinzip niemals der aktuelle Stand des Gesetzes versicherbar wäre. Bekanntlich war Covid-19 per Verordnung schon zum 1. Februar 2020 zu einer nach IfSG meldepflichtigen Krankheit erklärt worden.

Landgericht München I urteilte anders 
So wundert es auch nicht, dass das Landgericht München I kürzlich zugunsten eines Gastwirtes gegen die Versicherungskammer Bayern entschieden hat (nicht rechtskräftig). Das Gericht stufte die AVB als intransparent ein. Dem Wirt sei es nicht zuzumuten, die Liste in den AVB mit jener des IfSG zu vergleichen, um herauszufinden, welche Krankheiten vom Schutz umfasst sind und welche womöglich nicht. 

Die Anwaltskanzlei Grimme & Partner, die die Helvetia vertritt, verweist auf zwei weitere Urteile, die zugunsten der Helvetia ausgegangen seien: Das Landgericht Ravensburg am 12. Oktober (Az.: 6 O 199/20) und das Landgericht Ellwangen am 17. September (Az.: 3 O 187/20) wiesen ähnlich gelagerte BSV-Klagen zurück. Auch diese Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Insgesamt seien bundesweit 87 derartige Verfahren gegen die Helvetia anhängig.   

"In den meisten AVB steht nicht, dass die behördliche Anordnung sich unmittelbar an das betroffene Unternehmen richten muss", kritisiert Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. "Die jüngsten gerichtlichen Entscheidungen werden wohl die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof durchlaufen, ehe endgültige Rechtssicherheit besteht“, so der Fachanwalt für Versicherungsrecht. (dpo)