Ein bisschen klingt das, was der ehemalige Goldman-Sachs-Analyst Erkin Adylovs vorhat, nach dem Film "Minority Report". In dem Kinostreifen mit Tom Cruise in der Hauptrolle hat es sich eine Gruppe von Strafermittlern namens "Pre-Crime"zur Aufgabe gemacht, mittels persönlicher Daten Mörder, Einbrecher oder Amokläufer dingfest zu machen, lange bevor sie eine konkrete Straftat begehen. 

Ähnlich hellseherische Fähigkeiten schreiben Adylov und sein Team einer eigenentwickelten Technologie namens "Behavox" zu, die mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz die Verhaltensmuster bekannter und bereits überführter Täter erfasst, analysiert und auswertet – und die allesamt Banken schwer geschädigt haben.

Um Übeltätern wie dem Milliardenzocker Jerome Kerviel, der 2008 für den größten Spekulationsverlust in der Finanzgeschichte verantwortlich war und die Großbank Société Générale um ein Haar in den Ruin getrieben hätte, oder dem ehemaligen UBS-Futureshändler Kweku Adoboli, der einen Schaden in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar auftürmte, künftig das Handwerk zu legen, soll Behavox möglichst bald bei möglichst vielen Banken zum Einsatz kommen.

Systematische Sammelwut
Behavox hat nach Adylovs Angaben mittlerweile Daten im Petabyte-Bereich (entspricht 1.048.576 Gigabyte) aus den vergangenen 16 Jahren gesammelt und in der Folge menschliche Verhaltensmuster, die stark vom Standard abweichen, nach einer eigenen Risikoklassifizierung bewertet. Untersucht werden dabei nicht nur außergewöhnliche Trading- Aktivitäten, sondern auch Auffälligkeiten, die teilweise tief in die Privatsphäre der Trader eindringen. Dazu gehört beispielsweise die Lautstärke der geführten Telefonate, das Einschalten von Laptops oder Handelscomputern außerhalb der Arbeitszeiten sowie – kein Witz – überdurchschnittlich häufige Besuche der Firmentoilette.

Viel Überzeugungsarbeit zu leisten
Nicht nur die Tiefe der Daten heben das Projekt über das Niveau bereits bekannter und angewandter Überwachungs-Software hinaus. Neben dem Aspekt, dass der Algorithmus selbst lernend ist, plant Firmengründer Adylov auch, die Daten zu vernetzen. Die derzeit größte Hürde: Dazu muss er Großkunden wie Goldman Sachs, Deutsche Bank oder Barclays dazu bringen, höchst sensible Mitarbeiterdaten zentral einzuspeisen und mit ihren Wettbewerbern obendrein anonym zu teilen. Auf diese Weise sollen betrügerische Händler identifiziert werden, bevor sie zu Straftätern werden. 

Die Umsetzung könnte sich allerdings noch als schwieriger erweisen. Zwar hat Adylov inzwischen drei Kunden – darunter den Hedgefonds Marshall Wace mit 28 Milliarden Dollar unter Verwaltung –, um an die empirischen Daten zu kommen. Um das Projekt aber richtig ins Laufen zu bringen, braucht der gebürtige Kirgise die wirklichen Top Player der Branche. Doch die werden, davon ist Adylov überzeugt, noch kommen. "Einige Banken scheinen noch nicht wahrhaben zu wollen, wie exponiert sie sind." Der Behavox-Chef spielt damit auf die beeindruckende Summe von 200 Milliarden US-Dollar an, die die Finanzbranche – allen voran die Deutsche Bank – an Strafen für Kurs-, Währungs, oder sonstige Manipulationen in den letzten Jahren zahlen musste. 

Konkurrenz schläft nicht
Doch nicht nur die Skepsis potenzieller Auftraggeber, hochsensible Daten mit einem kleinen Start-up ohne Track Record zu teilen, macht Adylov das Leben schwer. Auch die durchaus berechtigte Hoffnung der Finnanzbranche auf eine rasche Lockerung des regulatorischen Umfelds durch den designierten US-Präsidenten Donald Trump bedeutet latent Gegenwind für den Firmengründer und könnte das Behavox-Projekt noch zum Scheitern bringen.

Das ist übrigens nicht allein auf weiter Flur: Im Frühjahr 2016 machte ein Joint Venture der Credit Suisse und des kalifornischen Unternehmens Palantir Technologies von sich reden, das ebenfalls verbotene Handelsgeschäfte aufspüren will. (hw/ps)