Die Fortsetzung der ultra-lockeren Geldpolitik der großen Notenbanken hemmt das Wachstum der meisten Volkswirtschaften eher, als dass sie es ankurbelt, sagt Bill Gross, Star-Fondsmanager und Anlagestratege beim Fondsanbieter Janus Capital. Solange die Zentralinstitute ihre Leitsätze weiterhin künstlich nahe der Nulllinie hielten, sei die elementare Steuerungsfunktion des Zinses für die Verteilung von Kapital weitgehend außer Kraft gesetzt, sagt Gross. Dies drohe mittel- bis langfristig das Wirtschaftssystem der Industriestaaten nachhaltig zu schädigen.

Der Bondexperte fordert einen Kurswechsel der Notenbanken. "Niedrige oder Null-Prozent-Zinsen scheinen zunächst Wunder zu wirken, weil sie die Vermögenspreise beflügeln und die Realwirtschaft stabilisieren", sagt Gross. Sie hätten allerdings eine Art unsichtbares Gepäck im Schlepptau. Je länger die Niedrigzinsphase andauere und Zinsen nahe der Nullmarke zu einer Art Norm würden, desto schwerer werde dieses Gepäck. "Das scheinen die Notenbanker, die nur ihre Modelle im Kopf und die Inflation im Blick haben, nicht zu bemerken", ätzt Gross. Leitzinsen von null oder 0,25 Prozent sind seiner Einschätzung nach zwar dazu geeignet, die angeschlagene Volkswirtschaft eines Landes über Wasser zu halten. "Aber sie wirken auf der anderen Seite wie ökonomischer Ballast, der das Wachstum hemmt."

Gross sieht Kollaps-Gefahr
Vor diesem Hintergrund sieht Gross die Gefahr, dass die Wirtschaftssysteme in den Industriestaaten vor einem Kollaps stehen. Die Volkswirtschaften der entwickelten Welt seien dabei, ins Leere zu laufen. "Wenn die Erträge eines Investments mittel- bis langfristig auf nahezu null abdiskontiert werden, woher soll dann das Geld kommen, um etwa das Versorgungsversprechen gegenüber einer alternden Bevölkerung einzulösen?", fragt Gross. Er macht sich daher für eine strategische Wende in der Zinspolitik der Fed stark und rät den Notenbanken, schnell von der Nullzinspolitik wegzukommen. (fp)