Investoren seien derzeit mit einer Flut an Risiken konfrontiert: Chinas Wachstumsdelle, der schwächelnde Ölpreis, das Versagen der Notenbankpolitik und der Aufstieg des Populismus. Ohne Zweifel aber wäre ein Brexit im Moment der "Schwarze Schwan" der Märkte – also das Ereignis mit den am wenigsten vorhersehbaren Folgen – meint Jan Straaatman: "Niemand weiß genau, was die kurzfristigen Auswirkungen eines Austritts Großbritanniens aus der EU wären", sagt der Chief Investment Officer von Lombard Odier Investment Management (LOIM). Deshalb wird wohl eher das Sentiment in den kommenden paar Monaten die Richtung an den Märkte vorgeben und weniger die Fundamentaldaten. Investoren müssen konsequenterweise unbedingt auf das Risiko, das sie aktuell in ihren Portfolios haben, achten.

Die anhaltende Debatte bezüglich der Gesundheit des Bankensystems erzeugten ohnehin ein Klima der Unsicherheit, ist Straatman überzeugt: "Nachdem Großbritannien nach der Krise dieselbe gute Medizin angewandt hat wie die USA, eine Kombination aus geldpolitischen und fiskalischen Maßnahmen, durchlief es eine angemessene Erholung, die allerdings sehr fragil ist.

Sollten sich die Briten für den Austritt entscheiden, würde das zusätzliche Unsicherheit erzeugen, die die Wirtschaft an diesem Punkt nicht gebrauchen kann. Das britische Pfund wird aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich abwerten, was die zusätzliche Unsicherheit über die fehlende Wettbewerbsfähigkeit widerspiegelt. Anleihe- und Aktienmärkte in Großritannien würde dies wohl ebenfalls hart treffen."

Nachahmer in Europa?
Kommt der Brexit tatsächlich, dann dürftenm die Spekulationen darüber zunehmen, welche anderen Länder die EU zu gegebener Zeit verlassen würden. Die USA wären ebenfalls nicht immun, denn der US-Dollar würde attraktiver werden, und das wäre letztlich ein Hemmschuh für die Wirtschaft, analysiert der LOIM-Experte.

Risiken im Portfolio seien derzeit vergleichsweise gering zu halten, rät Straatman. Fundamentaldaten können auf kurze Sicht übersehen werden. "In den kommenden paar Monaten werden wir ein sehr gutes Umfeld für aktive Fondsmanager haben. Es gibt Unternehmen, die direkt von einem Brexit betroffen wären. Eine solche Analyse ist nicht allzu schwierig durchzuführen. Noch wichtiger ist aber, dass ein Brexit zu starkem Herdenverhalten im Markt führen kann." Das würde viele Gelegenheiten eröffnen, da Unternehmen falsch bewertet werden könnten – insbesondere in den lange verschmähten Emerging Markets, denen ein Brexit wenig anhaben dürfte. "Dort werden sich in den kommenden Jahren mehr attraktive Gelegenheiten bieten." (kb)