Die "Brexit-Bombe" tickt, aber wird sie auch zünden? Horrormeldungen über einen denkbaren Preiscrash am britischen Immobilienmarkt machten in den vergangenen Tagen die Runde. Aufgrund befürchteter Abwertungen von Gebäuden an bislang hochattrativen Standorten, insbesondere in der City of London, haben viele britische Anleger in Scharen versucht, ihre Anteile an heimischen Immobilienfonds zu retournieren – vergebens. Denn diverse Asset Manager stoppten kurzerhand die Anteilscheinrücknahmen oder machten sie anderweitig unattraktiv (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Anleger deutscher offener Immobilienfonds können sich dagegen beruhigt zurücklehnen: Die Ratingagentur Scope gibt Entwarnung. "Kurzfristig starke Verluste wie bei den britischen Portfolios sind nicht zu erwarten", schreibt Scope-Fachfrau Sonja Knorr in ihrem Marktkommentar.

Als Gründe für ihre Einschätzung führt Knorr an, dass Fonds deutscher Anbieter – anders als ihre britischen Pendants – geographisch breit diversifiziert sind, sodass die Marktunsicherheit in Großbritannien nicht auf das ganze Portfolio durchschlägt. Hinzu komme, dass die Fondsmanager eventuelle Währungsrisiken absichern. "Die Schwäche des Pfundes sollte daher ebenfalls kein Problem darstellen", so Knorr.

Und nicht zuletzt seien die Bewertungsniveaus der Gebäude ohnehin konservativ und die Mietverträge in der Regel langlaufend. Ein kleines "Aber" schiebt die Scope-Expertin dann doch hinterher: Besonders drastischen Marktverwerfungen würden sich die deutschen Fonds längerfristig natürlich nicht entziehen können.

Keine Subprime-Krise 2.0: Fondsschließungen nicht in Sicht
Der größten Sorge der Anleger, dass Fonds geschlossen werden, entzieht die Scope-Spezialistin die Grundlage: "Das Risiko von Fondsschließungen ist deutlich geringer als nach der Finanzkrise, wegen der höheren Robustheit gegen Mittelrückgaben aufgrund der Regelwerksanpassungen nach der Finanzkrise 2008", schreibt Knorr.

Anders als bei den britischen Produkten wurden die gesetzlichen Bestimmungen zu den Rückgabemöglichkeiten bei deutschen offenen Immobilienpublikumsfonds nach der Finanzkrise 2008 geändert. Die tägliche Rückgabemöglichkeit gilt nur noch für Altanleger – und dies auch nur beschränkt auf bis zu 30.000 Euro pro Halbjahr. Für Neuanleger gilt seit der Einführung des sogenannten Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuG) im Jahr 2013 eine zweijähige Mindesthaltedauer sowie eine einjährige Kündigungsfrist.

Breite Diversifikation
Scope hat sich auch die Portfolios der Fonds und deren Zusammensetzung nach Ländern genauer angeschaut – und bestätigt im wesentlichen Daten, die FONDS professionell ONLINE bereits vor einigen Tagen veröffentlicht hat.

So liegen die "Brexit-Quoten", also die Anteile von Immobilien-Anlagen im Vereinigten Königreich am investierten Fondsvermögen, maximal bei 25 Prozent (siehe nachstehende Tabelle). Der Hausinvest, der hier die Spitzenposition einnimmt (25,1% per 31. Mai 2016), investiert überwiegend jedoch nicht in den sehr schwankungsanfälligen Büromarkt (19%), sondern insbesondere in den Bereich Einzelhandel (75%).

Die Einzelhandelsbranche könnte von der derzeitigen massiven Abwertung des Britischen Pfunds am Ende sogar profitieren, da das günstige Pfund Reisen für Festlandeuropäer nach Großbritannien attraktiver macht; auf der anderen Seite trübt sich das Konsumklima im Binnenmarkt aktuell natürlich ein.

Scope-Studie: UK-Quoten deutscher offener Immobilienfonds

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Noch ein zuversichtlich stimmendes Element hat die Scope-Analystin ausgemacht. Denn am Immobilienmarkt gilt, wie an anderen Anlagemärkten auch: Des einen Leid ist des anderen Freud'. "Mögliche positive Optionen werden aktuell bereits von den deutschen Assetmanagern geprüft", schildert Knorr. Sofern sich keine dauerhaften und strukturellen Veränderungen der Investmentmärkte ergäben, werde die Möglichkeit der Ausnutzung von Marktchancen geprüft, um für die Fonds antizyklisch anzukaufen, "auch aus den Portfolios der nun geschlossenen britischen Fonds". (jb/ps)