"Ich habe es ja angedeutet, dass wenn die Zahlen jetzt über den Kurs der nächsten zwölf Monate so bleiben, dass es möglicherweise bei der einen oder anderen Sitzung eine Chance geben könnte, dass wir die Zinsen weiter reduzieren können", sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel am Donnerstag (25.7.) vor Journalisten in Rio de Janeiro.

Am Rande eines Treffens der Notenbankchefs und Finanzminister der G20 sagte das deutsche EZB-Ratsmitglied, die Europäische Zentralbank sei in Bezug auf Zinssenkungen nicht auf "Autopilot" und betonte: "Da muss man eben Geduld haben und muss vor allem mit der Geldpolitik weiterhin im restriktiven Bereich bleiben, solange man noch nicht bei den zwei Prozent dann wirklich stabil angekommen ist."

"Völlig offen"
Die EZB hat in der vergangenen Woche die Zinsen unverändert gelassen. Während die Märkte mit zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr rechnen, sind die Notenbanker weniger zuversichtlich, dass ein solcher Weg realistisch ist. Aus Zentralbank-Kreisen hieß es, dass die Anleger nicht davon ausgehen sollten, dass eine Senkung bei der nächsten Sitzung eine beschlossene Sache sei. Präsidentin Christine Lagarde hat erklärt, dass die nächste Sitzung am 11. und 12. September "völlig offen" sei.

Nagel blieb bei der EZB-Linie, dass die Geldpolitik von Sitzung zu Sitzung entschieden werde, und riet davon ab, sich im Voraus darauf festzulegen, was im September geschehen könnte.

Andere haben sich deutlicher geäußert. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagte Anfang der Woche, dass die nächste EZB-Ratssitzung für die Entscheidungsfindung "geeigneter" sein werde als die letzte, und der slowakische Präsident Peter Kazimir erklärte, dass die Marktwetten auf zwei weitere Zinssenkungen im Jahr 2024 zwar nicht das Basisszenario seien, aber auch "nicht völlig unangebracht".

Auch die stellvertretende portugiesische Gouverneurin Clara Raposo erklärte gegenüber "Bloomberg", dass die EZB wahrscheinlich in der Lage sein werde, ihren Einlagensatz in diesem Jahr noch zwei Mal zu senken.

"Gieriges Biest" ist nicht mehr da
Nagel, der zu den Falken im EZB-Rat gehört, hob hervor, dass die Lohnentwicklung im Euroraum weiterhin "sehr robust" sei, und sagte, die Rückkehr zu einer Inflationsrate von zwei Prozent werde holprig verlaufen – womit er frühere Kommentare wiederholte. Dennoch räumte er ein, dass das "gierige Biest" namens Inflation "nicht mehr da" sei. (mb/Bloomberg)