Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach dem Willen von Ratsmitglied Joachim Nagel auf ihrer Sitzung in diesem Monat eine weitere "robuste" Zinserhöhung vornehmen, um sicherzustellen, dass die Preiserwartungen von Haushalten und Unternehmen verankert bleiben. Dies berichtet die Nachrichtenagentur "Bloomberg". "Eine dauerhaft höhere Inflation ist der größte Wachstumsbremser und Dämpfer für den Wohlstand", sagte der Bundesbankpräsident bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Washington.  

Innerhalb des 25-köpfigen EZB-Rates bestehe "Einigkeit" darüber, dass die Währungshüter im kommenden Jahr die Frage nach der Reduzierung der billionenschweren Anleihebestände, welche die EZB während der jüngsten Krisen angehäuft hat, in Angriff nehmen werden, erklärte Nagel.

Zinserhöhung um 75 Basispunkte erwartet
Hintergrund der Äußerungen ist die Tatsache, dass zwei Wochen vor der nächsten Zinsentscheidung der EZB eine Erhöhung um 75 Basispunkte erwartet wird. Gleichzeitig wächst die Sorge um eine drohende Rezession. Mit dem Anstieg der Zinsen verlagert sich der Schwerpunkt auf die sogenannte quantitative Straffung – ein Prozess, den andere Zentralbanken bereits eingeleitet haben.

Lindner zufolge hat die Bekämpfung der Inflation Priorität und sollte mit Entschlossenheit angegangen werden. "Es geht nicht darum, eine Rezession zu provozieren, aber die Inflation so zu bekämpfen, dass auf der anderen Seite die Abkühlung des wirtschaftlichen Klimas so gering und so kurzfristig wie nur möglich ist", sagte er. "Aber die Priorität ist, Inflation zu bekämpfen."

Inflation könnte 2023 bei sieben bis acht Prozent liegen 
Obwohl sich die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtert haben und die Unsicherheit im Energiebereich Investitionen und Verbrauch belastet, geht der Bundesbankpräsident davon aus, dass das Land in diesem Winter Energierationierungen vermeiden kann. Vieles werde jedoch vom Verbraucherverhalten abhängen, sagte Nagel. Die Inflation in Deutschland werde im Jahr 2023 stärker ausfallen als derzeit prognostiziert und zwischen sieben und acht Prozent liegen, erklärte er. 

Die Hilfsmaßnahmen der Regierungen des Euroraums dürften die Geldpolitik nicht konterkarieren, mahnte der Zentralbanker. "In dieser Ausnahmesituation müssen Geld- und Fiskalpolitik Verbündete sein", sagte Nagel und plädierte für gezielte staatliche Unterstützungspakete, um den Auswirkungen der Energiekrise entgegenzuwirken. (am/Bloomberg)