Angesichts der hohen Inflation im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) am vergangenen Donnerstag erstmals seit rund elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder erhöht – um einen halben Prozentpunkt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte ursprünglich eine Anhebung um lediglich einen Viertelprozentpunkt in Aussicht gestellt. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt damit bei 0,50 Prozent, der Einlagensatz bei null Prozent. Letzteren zahlen respektive bekommen Banken für überschüssige Liquidität, die sie bei der Notenbank parken. 

Joachim Nagel, Chef der Deutschen Bundesbank, begrüßt in einem Interview mit dem "Handelsblatt" den Schritt. "Ich habe mich immer dafür eingesetzt, die hohe Inflation entschieden zu bekämpfen. In meinen Augen ist es besser, am Anfang einen größeren Zinsschritt zu gehen und damit das Risiko zu verringern, als später zu stark bremsen zu müssen", so Nagel. Er sei mit der Zinsentscheidung im EZB-Rat sehr zufrieden. "Die Zeit der Negativzinsen ist vorbei."

Aufwärtsrisiken bei der Inflation
Ferner stellt der Notenbanker gegenüber der Zeitung klar, dass es seiner Meinung nach auch keine Rückkehr zu niedrigen oder auch negativen Zinsen geben werde. Er sieht bei der Inflation weiterhin Aufwärtsrisiken, was Verbrauchern und der gesamten Wirtschaft schade. "Wichtig ist, dass wir mittelfristig für Preisstabilität sorgen. Deshalb muss die geldpolitische Normalisierung weitergehen – und damit auch der Prozess der Zinserhöhungen. Mit welchen Schritten und wie weit wir die Zinsen erhöhen, machen wir von den Daten abhängig", so Nagels Ankündigung.

Darüber hinaus hat der EZB-Rat ein neues Instrument beschlossen, mit dem die Notenbank eine Fragmentierung verhindern will, also das Auseinanderdriften der Staatsanleiherenditen verschiedener Euroländer. Das Transmission Protection Instrument (TPI) soll es der EZB erlauben, gezielte Anleihenkäufe in bestimmten Ländern zu tätigen. Nagel hatte sich zunächst skeptisch zu dem Instrument gezeigt, verteidigt es aber in dem Gespräch als eine "tragfähige Lösung". Nagel: "Die Diskussionen haben sich gelohnt." Ferner betont er, dass es beim TPI nicht um Finanzhilfen für die Regierungen einzelner Länder gehe, sondern um die Wirksamkeit der geldpolitischen Transmission und damit die Sicherstellung von Preisstabilität – das sei der Auftrag der EZB. (jb)