"Wenn sich die Energiekrise zuspitzt, erscheint eine Rezession im kommenden Winter wahrscheinlich", sagt Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, in einem Interview mit der "Rheinischen Post". "Die deutsche Wirtschaft lief im ersten Halbjahr unter schwierigen Bedingungen noch ganz passabel. Kommen jetzt aber weitere Lieferprobleme etwa durch langanhaltendes Niedrigwasser hinzu, würden sich die Wirtschaftsaussichten für das zweite Halbjahr weiter eintrüben", erklärt er.

"Weitere Zinsschritte müssen folgen"
In den Herbstmonaten könnte die Inflation nach Nagels Ansicht zehn Prozent erreichen. Dabei verwies er auf das Ende von Sondereffekten wie dem Neun-Euro-Ticket und dem Tankrabatt. Für 2023 steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Teuerung im Durchschnitt über sechs Prozent liegen werde, so der Bundesbankchef. Bei den hohen Inflationsraten "müssen weitere Zinsschritte folgen", fordert Nagel. Zu seinen Erwartungen für die nächste Zinsentscheidung im September wollte er sich dabei nicht äußern. "Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass wir bei der Geldpolitik von Sitzung zu Sitzung entscheiden müssen."

Teuerung bei mehr als Vierfachem des Zentralbank-Zielwertes
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen im vergangenen Monat um 50 Basispunkte erhöht und signalisiert, sie erneut anheben zu wollen. Seither haben Verbraucherpreisdaten eine Inflation knapp unter neun Prozent gezeigt. Damit liegt die Teuerung bei mehr als dem Vierfachen des Zentralbank-Zielwertes. "Entscheidend wird sein, die mittelfristigen Inflationserwartungen stabil bei zwei Prozent zu halten", sagte Nagel, der in dieser Woche am Fed-Symposium in Jackson Hole teilnehmen wird. "Ich bin davon überzeugt, dass der EZB-Rat die dafür notwendigen geldpolitischen Maßnahmen ergreift." (mb/Bloomberg)