Herr Zerah, Sie kommen gerade aus einem Klientenmeeting. Welche Frage stellen Ihnen potenzielle Kunden heute als erste?

Charles Zerah: Wir promoten gerade den Carmignac Global Bond Fund, der einen Unconstrained-Ansatz – also eine benchmarkunabhängige Strategie – verfolgt. Solche Produkte sind heute nachgefragt, weil Fixed-Income-Investoren in einem Umfeld mit sehr tiefen Zinsen eine unsichere Fernsicht haben. Man kann heute Perfomances, die man in sechs Monaten generiert hat, innerhalb von eineinhalb Tagen verlieren. Die Kunden sind also sehr interessiert an sehr flexiblen Fonds.

Stichwort Unsicherheit: Welche Zinsschritte prognostizieren Sie in den Hauptmärkten?

Zerah: Wir denken, dass speziell in Europa nach den Wahlen die politischen Risiken hinter uns liegen. Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die EZB die Märkte auf ein Tapering vorbereitet. Wir sind am Ende des QE-Zyklus. Eingedenk dessen sehen wir deutsche und europäische Zinsen steigen.

Haben Sie eine konkretere Zahl? Wo bewegt sich die deutsche Benchmark per Jahresende?

Zerah: Zehnjährige Bunds sollten zwischen 80 Basispunkten und einem Prozent liegen.

Die Bank of Enland hat jüngst die Zinsen auf Rekordtief belassen und das Kaufprogramm nicht verändert. Haben Sie das erwartet?

Zerah: Es ist vielleicht noch etwas früh, aber wir denken, dass die BoE verpflichtet sein wird, weniger großzügig zu sein. Selbst wenn der Brexit noch immer eine wichtige Komponente ist: Die Schwächung der Wirtschaft ist nicht so ausgeprägt, wie man es erwartet hat. Die Inflation nimmt zu. Die Abwertung der Währung trifft das Land, die Rohstoffpreise steigen. Die Kombination daraus und dazu ein sehr enger Arbeitsmarkt, das sollte die lockere Geldpolitik infrage stellen. Wir sind sehr vorsichtig, was UK-Staatsanleihen betrifft.

Manche sagen, der Brexit ist keine große Sache mehr…

Zerah: Das ist noch schwer zu sagen, weil so viele Fragen ungelöst sind. Die Verhandlungen werden nach den Bundestagswahlen in Deutschland im September starten. Man muss unterscheiden zwischen der Realwirtschaft und den Assets. Die Wirtschaft wurde real noch nicht getroffen. Aber wenn Sie mit den Top-Managements in UK-Banken sprechen: Die haben noch keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen. Die Banken-Passports, das Euroclearing: Die werden jegliche Art von größerem Investment aufschieben, also wird sich irgendwann auch das Wachstum verringern. Auf der Finanzseite sollte das Pound Sterling sehr volatil sein – speziell, weil die Briten ein hohes Leistungsbilanzdefizit haben, das sie finanzieren müssen. Wir sind also sehr vorsichtig und haben keine großen Positionen in Großbritannien.

Welche Durationen erachten Sie in so einem Umfeld generell als gerechtfertigt?

Zerah: Wir haben derzeit keine Durationen. Wir haben ein Kernportfolio, das einen laufenden Zins von ungefähr 2,5 bis drei Prozent hat. Aber die gesamte Duration ist gehedged. Wir haben neutrale Positionen bei German Bunds, UK-Gilts und US-Treasuries.

Wie stehen Sie zu nachrangigen Anleihen, die heute so gern eingesetzt werden?

Zerah: Das ist sehr gefährlich. Wir sind nun vier Jahre in europäischen nachrangigen Finanzschulden engagiert gewesen. Aber wir denken, bei den derzeitigen Levels und Zinsen ist das Rendite-Risiko-Profil nicht mehr so gut. Wir haben also unser Exposure reduziert. Wir sind besorgt: Auch wenn sich die europäischen Banken verbessert haben; Es gibt zu viele Investoren in A-Tier-1- oder Lower-Tier-2-Bonds. Die haben erkannt, dass sie riskant für sie sind. Jetzt finden sie aber keine Alternativen und müssen weiter den Zinsen hinterherlaufen. Wir mögen diese Situation nicht.

Welche würden Sie momentan als die risikoreichste Position in Ihren Portfolios bezeichnen?

Zerah: Das kann man so nicht beantworten. Selbst wenn Sie heute long in Bunds investieren, kann es eine sehr gefährliche Position sein. Assets, die früher sichere Häfen waren, sind nicht mehr sicher, Assets, die sehr riskant waren, sind es nicht mehr. Das ist einer der Gründe, warum wir sehr viel Cash in unseren Fonds halten. Wir haben ungefähr 40 Prozent an Cash oder Quasi-Cash; das sind Investments in Staatsanleihen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr.

Was wäre das erste Signal für Sie, um den Cashbestand zu reduzieren?

Zerah: Das wären beispielsweise Bund-Levels um die 80 Basispunkte oder ein Prozent. Da schauen wir drauf. Oder wenn zehnjährige US-Treasuries zurück auf 2,75 bis drei Prozent kommen. Da investieren wir.

Wann hatten Sie zuletzt eine so hohe Cashposition?

Zerah: Wir haben das jetzt schon seit einem dreiviertel Jahr; seit dem Brexit-Referendum. Also sind wir sehr vorsichtig. Aber wir versuchen natürlich, Performance zu generieren. Wir haben einige High-Beta-Assets, die sehr volatil sein können. Aber wir wollen die Volatilität abmildern und sind glücklich, diese Form von Cash im Portfolio zu haben.

Aber kam es oft vor, dass Sie so eine hohe Position hatten?

Zerah: Nein, nicht sehr oft. Wir sind damit am Rekord-Level.

Die Märkte schauen jetzt wieder auf Italien, wo voraussichtlich im kommenden Jahr gewählt wird. Machen Sie sich Sorgen?

Zerah: Das ist zu früh. Bis Jahresende haben wir eine ziemlich gute Visibilität. Zudem investieren wir im Carmignac Global Bond Fund nicht in Italien. Wir haben keine Staatsschulden in Peripheriestaaten, außer einer geringen Position in Griechenland. Wenn man sich anschaut, was in Europa das Risiko ist: Die EZB sollte mit dem Tapering beginnen, speziell nächstes Jahr. Und die Märkte dürften bei Staatsanleihen anfangen, die Levels über Europa hinweg anzupassen. Die Renditen sollten dann sehr viel höher sein. (eml)