Deutschlands Wirtschaft sei besser durch den Winter gekommen als ursprünglich erwartet, ein selbsttragender Aufschwung vorerst aber nicht in Sicht, schreibt Axel Angermann, Chefvolkswirt der Feri Gruppe, in einem aktuellen Kommentar. Eine Reihe von Gründen spreche eher dafür, dass es nach einer kurzen zwischenzeitlichen Erholung erneut zu einem wirtschaftlichen Abschwung komme, so Angermann.

"Staatliche Preisbremsen verpuffen", nennt er als ersten Grund. Die Preisdeckel für Strom und Gas wirkten nur kurzfristig, auf Dauer könnten sie massive Kaufkraftverluste nicht verhindern. So sei im Jahresverlauf erneut mit steigenden Energiepreisen – insbesondere für Erdgas – zu rechnen, weil Deutschland zusätzlich Gas auf dem Weltmarkt nachfragen muss, während das globale Angebot stabil bleibt. "Die privaten Haushalte können die steigenden Energiekosten immer weniger durch vorhandene Reserven auffangen", stellt Angermann fest. Vor diesem Hintergrund müsse mit einer weiterhin schwachen Entwicklung des privaten Konsums gerechnet werden.

Folgen der Zinswende, fehlende Impulse aus China
"Restriktive Geldpolitik zeigt Wirkung", überschreibt Angermann den zweiten Punkt. Die geldpolitische Straffung der EZB habe zu einer Stagnation bei Unternehmenskrediten und nachlassendem Wachstum bei Hypothekendarlehen geführt, die Investitionstätigkeit insgesamt sinke. Die Bauinvestitionen seien bereits seit Mitte 2022 rückläufig. Der Feri-Chefvolkswirt befürchtet, dass sich der Abwärtstrend beschleunigt: Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten seien das Ende für viele laufende und geplante Bauprojekte, sodass im Ergebnis ein spürbarer Einbruch der Bauproduktion zu erwarten sei.

"Kaum Impulse aus China", nennt Angermann als dritten Punkt. Die deutsche Industrie profitiere zwar von hohen Auftragsbeständen und könne diese angesichts deutlich verringerter Angebotsstörungen abarbeiten. Es blieben jedoch erhebliche Unsicherheiten, vor allem in den energieintensiven Branchen. "China dürfte außerdem als Impulsgeber für die deutsche Industrie ausfallen, weil sich der Großteil der Erholung der chinesischen Wirtschaft im Inland abspielen und dort insbesondere Dienstleistungssektoren begünstigen wird", so Angermann.

US-Rezession als zusätzliche Belastung
"Zusammengenommen führen diese Faktoren dazu, dass die Dynamik der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden Quartalen voraussichtlich zwar positiv, insgesamt aber nur geringfügig über der Null-Linie sein wird", meint der Chefvolkswirt. Eine weitere Verschlechterung ergäbe sich durch eine Rezession der US-Wirtschaft, die sich in der zweiten Jahreshälfte als Ergebnis der restriktiven Geldpolitik der amerikanischen Notenbank bereits abzeichne, so Angermann. "Die USA sind nach wie vor der größte Handelspartner Deutschlands. Trifft eine US-Rezession auf eine bereits angeschlagene deutsche Wirtschaft, droht ein Rückfall in eine negative Wirtschaftsentwicklung zur Jahreswende 2023/24 – eine klassische Double-Dip-Entwicklung." (fp)