Wenige Wochen, nachdem die Europäische Zentralbank erstmals seit Beginn ihres Straffungszyklus im vergangenen Jahr auf eine weitere Zinserhöhung verzichtet hatte, signalisierte EZB-Chefin Christine Lagarde auf einer von der "Financial Times" organisierten Veranstaltung, dass der EZB-Rat zunehmend der Ansicht ist, dass die derzeitigen monetären Parameter zur Inflationsbekämpfung ausreichen dürften. "Das Niveau, auf dem wir uns derzeit befinden, wird, wenn wir es lange genug aufrechterhalten – und darüber können wir natürlich diskutieren –, einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Inflation wieder auf unser Zwei-Prozent-Ziel zu bringen", sagte Lagarde am Freitag (10.11.). "Wenn es zu größeren Schocks kommt, müssen wir das – je nach Art der Schocks – neu überdenken."

"Energiepreise genau beobachten"
Die jüngsten Daten zeigen, dass sich die Gesamtinflation im Euroraum im Oktober auf 2,9 Prozent verlangsamt hat und damit so schwach war wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die Aussicht auf einen um sich greifenden Nahostkonflikt, der die Ölpreise in die Höhe treiben könnte, ist eine Bedrohung für den Inflationsausblick, die die Währungshüter im Auge behalten. "Wir müssen die Entwicklung der Energiepreise genau beobachten", sagte Lagarde. "Wir sollten nicht davon ausgehen, dass diese respektable Zahl von 2,9 etwas ist, das man als selbstverständlich und dauerhaft betrachten sollte."

Auf ihrer Pressekonferenz am 26. Oktober hatte sie Fragen nach möglichen Zinssenkungen mit den Worten zurückgewiesen, dies sei "verfrüht". Seitdem haben ihre Kollegen begonnen, das Thema öffentlich zu diskutieren. Bundesbankpräsident Joachim Nagel betonte jüngst, dass solche Debatten nicht hilfreich seien. Lagarde unterstrich am Freitag, dass eine solche Reduzierung nicht "in den nächsten paar Quartalen" erfolgen werde.

Auf die Frage nach einer rascheren quantitativen Straffung betonte die Chefin der EZB, dass es keine direkten Verkäufe von Anleihen geben werde, dass aber eine Diskussion über Reinvestitionen im Pandemie-Notfallankaufprogramm von den Notenbankern zu einem bestimmten Zeitpunkt geführt werden müsse. (mb/Bloomberg)